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Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz

Titel: Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
Autoren: James Maxey
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traurige kleine Feuer verbreitete mehr Rauch als Wärme. Der Jäger hockte sich davor nieder und wendete ein Stück aschebeflecktes Fleisch auf dem flachen Stein, den er zwischen den Kohlen platziert hatte. Die Bewegung erzeugte nur noch mehr Rauch. Er hustete und wischte sich Ruß von den Augen, hielt dann die knöchernen, knorrigen Finger über die Glut, um die Kälte zu vertreiben. Der Mann war dünn, hatte schulterlange graue Haare, und tiefe Linien in der ledrigen Gesichtshaut erzeugten ein ständiges Runzeln. Er zog den schweren Umhang fester um sich.
    In dem Baum über ihm hing ein Drache, aus dessen Maul Blut tropfte.
    Es handelte sich um einen Himmelsdrachen, die kleinste Art geflügelter Drachen. Wenn man einem Himmelsdrachen die zehn Fuß breiten Schwingen und den langen Schwanz nahm, war er nicht größer als ein Mann und wog
gerade mal die Hälfte. Himmelsdrachen waren berühmt wegen ihrer Kühnheit beim Fliegen und wegen ihrer Farbe, die das helle, vollkommene Blau eines wolkenlosen Tages zeigte. Der Jäger hatte im Laufe der Jahre viele Himmelsdrachen getötet. Sie waren nicht besonders gefährlich. Obwohl sie Krallen von zwei Zoll Länge besaßen und ihre krokodilähnlichen Schnauzen voller scharfer, sägeähnlicher Zähne waren, rühmten sich die Himmelsdrachen, zivilisiert zu sein. Die Bestien empfanden sich als Künstler, Dichter und Gelehrte; sie betrachteten es als unter ihrer Würde, sich mit so niederen Arbeiten wie dem Jagen zu beschäftigen.
    Der Jäger hatte den Himmelsdrachen mit nur einem Pfeil erledigt, den er vorzüglich an der Unterseite des Kiefers platziert hatte. Die Eisenspitze ruhte in der Mitte des Drachenhirns. Die Bestie war urplötzlich wie ein Stein aus der Luft gefallen und hatte sich dann in den Verästelungen eines Baumes verfangen. Der Jäger war auf den Baum geklettert und hatte die Ledertasche geholt, die der Drache sich über den Rücken geschlungen hatte. Er hatte an dem Körper der Bestie gezerrt, aber feststellen müssen, dass die Leiche sich in den Ästen und Zweigen zu sehr verklemmt hatte, um bewegt werden zu können. Er hatte sich dann auf gleiche Höhe mit dem Kopf der Bestie begeben und in dessen glasige, katzenähnliche Augen geblickt. Die Köpfe von Himmelsdrachen erinnerten ihn immer an die von Ziegen, allerdings bedeckt mit glatten, schimmernden Schuppen. Mit einem Brummen hatte er der Bestie die Zunge herausgeschnitten.
    Kurz darauf hatte er eine Feuerstelle errichtet, und jetzt
zischte die Zunge auf dem flachen Stein in der Mitte und gab dem Rauch einen öligen, fischigen Beigeschmack. Um sich die Zeit während des Bratens zu vertreiben, durchsuchte der Jäger die Tasche des Drachen. Etwas zu essen, natürlich. Eine in Sackleinen eingewickelte Flasche Wein, ein Laib steinhartes, mit Mehl bestäubtes Brot, zwei Äpfel, geräucherte Aalstreifen. Er fand auch einen faustgroßen Topf mit einem Deckel aus einem öligen Stück Pergament, das mit einer Schnur befestigt worden war. Er stieß ein Loch in das Pergament und wich vor dem Gestank zurück. Horch war darin; eine Art Paste, die die Drachen liebten und die aus Sardinen, Oliven und Chilischoten bestand, die erst zusammen vermahlen und dann in einem Keramikgefäß aufbewahrt und fermentiert wurden. Der Jäger schleuderte das Gefäß so weit in den Wald hinein, wie die Kraft seines Armes es ermöglichte.
    Als er sich danach wieder der Tasche widmete, stieß er auf eine Karte, eine zusammengerollte Decke aus wattierter grüner Seide und ein kleines Tintengefäß. Er schnüffelte an dem Deckel und vermutete, dass die Tinte aus einer Mischung aus Essig und Walnussschale bestand. Einige Schreibfedern – hergestellt aus den Federschuppen des Drachen – befanden sich ebenfalls in dem Beutel. Kein Wunder, dass die Bestien sich für Gelehrte hielten, trugen sie doch die Schreibutensilien am eigenen Körper.
    Der Jäger entdeckte ein ledergebundenes Buch, das er genauer musterte. Das Leinenpapier war reinweiß, und die ersten Seiten waren gefüllt mit Zeichnungen und Bemerkungen über Blumen. Die Zeichnungen waren äußerst genau, und die Blumen wirkten in der dunklen Walnusstinte
lebendig und wunderschön. Die gemalten Blüten wuchsen immerhin derart verführerisch über die Seiten, dass sie Bienen anlockten.
    Der Jäger riss die Seiten heraus und speiste damit das knisternde Feuer. Das Papier schrumpfte zusammen, als hätte es ein eigenes Leben, krümmte sich und zerkrümelte in große, schwarze Fetzen, die mit
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