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Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz

Titel: Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
Autoren: James Maxey
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und legte ihr die Finger auf die Lippen. »Die alten Frauen haben dir wirklich Angst gemacht, nicht wahr? Wo ist die Recanna, die ich gestern noch gekannt habe, dieses Mädchen, das so wild darauf war, seinem eigenen Herzen zu folgen?«
    »Aber …«, sagte sie.
    Bant zog sie zu sich heran und brachte sie mit seinem Mund zum Schweigen. Obwohl es eine warme Nacht war, war ihr nackter Körper kalt, und er spürte, wie sie erschauderte, als er sie umarmte. Er fuhr mit seinen Händen über ihre Haut und wärmte sie, ohne den Kuss zu unterbrechen. Sie zog sich nicht zurück, und nach einer Weile wurden ihre Lippen weicher, und sie öffnete den Mund. Vorsichtig legte sie ihre sanften Hände auf seine Hüften. Ihre Haut, noch wenige Augenblicke zuvor kühl, wurde jetzt warm. Gemeinsam sanken sie auf den Boden, und er spürte die warme und weiche Erde unter seinem Rücken.
    Zum ersten Mal verstand Bant die tiefere Bedeutung des Rituals des Säens, die machtvolle Verbindung zwischen den Jahreszeiten der Welt und den Leidenschaften des Körpers. Er hatte das Gefühl, selbst ein Teil der Erde zu sein, etwas zu sein, das aus üppigem Lehm und hartem Stein
bestand. Recannas Atem an seinen Lippen war so süß und lebenspendend wie die Frühlingsbrise. Sämtliche Gedanken an die Göttin waren vergessen. Ihrer beider Widerstand gegen die Bräuche des Dorfes spielte keine Rolle mehr. Es gab nur noch die Sehnsucht, die sinnliche Erregung des Augenblicks.
    Dann drehte Recanna mit einem Keuchen den Kopf zur Seite und schob Bant von sich. Sie kämpfte sich auf die Knie.
    »Was ist?«, fragte Bant, setzte sich auf und hob seine Hand, um sie zu berühren. »Was ist los?«
    »Da«, sagte sie und schob die Hand weg. »Die Straße.«
    Weit hinter den Bäumen flackerte eine einzelne Laterne auf der fernen Straße und störte die geheiligte Dunkelheit des Säens. Wer mochte ausgerechnet in dieser Nacht die Stadt aufsuchen? Gemurmel erhob sich von den nahen Feldern. Sie waren nicht die einzigen Dorfbewohner, die das Sakrileg bemerkt hatten, das durch das Licht ausgelöst wurde.
    »Ein Omen«, sagte Recanna. Sie klang wieder verängstigt. »Wir haben die Göttin verärgert. Was haben wir getan? «
    »W-wir …« Bants Rechtfertigung löste sich in der Stille auf. Niemand würde es in der Nacht des Säens wagen, auch nur eine Kerze zu entfachen. Die Göttin ehrte diese Nacht mit einer vollkommen schwarzen Decke. Hatte er zu viel gewagt?
    Ein Zweig knackte in der Nähe, und seine Nackenhaare stellten sich auf. Da war noch jemand auf der Obstwiese. Inzwischen hatten sich Bants Augen an die Dunkelheit
gewöhnt. Recannas blasse Haut glühte beinahe. Als er sich umsah, bemerkte er jedoch nur die Silhouetten von Baumstümpfen. Überall könnte sich jemand verbergen. Dann löste sich einer der dunklen Schemen und rückte näher. Bant zuckte zusammen, als eine dunkle, kräftige Stimme rief: »Winzling!«
    Bant kannte die Stimme nur zu gut. Selbst in dem düsteren Licht war die große Gestalt seines älteren Bruders Jomath unmissverständlich auszumachen. Jomath war zwei Jahre älter als er, aber im Vergleich zu ihm ein Riese. Er maß einen Fuß mehr und hatte dicke, muskulöse Arme. Bant war stets die Zielscheibe seiner Schikanierungen gewesen. Jetzt jedoch, da das Licht auf der Straße auf eine Bedrohung hinwies, empfand er seine Anwesenheit als wohltuend.
    »Jomath«, sagte Bant. »Ich bin erleichtert, dass du es bist. Was glaubst du, ist das für ein Licht?«
    »Wen interessiert das?«, fragte Jomath und schritt kühn auf Recanna zu, legte ihr eine schwielenübersäte Hand auf den zarten Arm. »Zweifellos irgendein verirrter Narr. Das kümmert mich nicht. Mir macht vielmehr Sorgen zu sehen, wie du und dieser hübsche Leckerbissen hier die Befehle missachtet. Ich habe euren Plan bemerkt.«
    »Au«, sagte Recanna. »Du tust mir weh.«
    »Du verdienst es, dass man dir wehtut. Der Befehl lautet, dass in der Nacht des Säens jede beliebige Frau bei jedem beliebigen Mann liegen soll. Sich dem zu widersetzen ist eine große Sünde. Ich bin hier, um euch vor eurer Dummheit zu schützen.«
    »Lass sie los«, sagte Bant und sprang auf. »Sie liebt mich und nicht dich.«

    »Erkennst du die Blasphemie deiner Worte nicht?«, fragte Jomath. »In der Nacht des Säens wird Liebe nicht von unseren Herzen geleitet. Die Göttin verlangt, dass sämtliche Frauen des Dorfes sich sämtlichen Männern öffnen. Es verbindet uns miteinander, kettet uns aneinander. Daher ist es
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