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Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz

Titel: Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
Autoren: James Maxey
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Blick, den er einmal auf einen über das Dorf hinwegfliegenden Sonnendrachen erhascht hatte.
    Der Hund musterte Bant beiläufig. Eine große, rosafarbene Zunge hing ihm aus der Schnauze, während er keuchte, was ihm einen freundlichen, leicht verwirrten Ausdruck verlieh. Sein Atem roch übel, verströmte den Gestank von verfaulendem Fleisch in der Nacht. Bant wahrte einigen Abstand zu dieser Kreatur, während er mit Recanna um den Rand des Platzes herumging, bis sie die anderen Dorfbewohner erreichten.
    Es waren überwiegend Männer anwesend, insgesamt etwa sechzig. Sie alle waren noch nackt vom Ritual des Säens. Die Frauen standen etwas weiter entfernt auf einem Hügel, hielten ihre Kinder fest. Sie alle blickten zum Tempel der Göttin in der Mitte des Dorfes. Die Säulen bestanden aus den efeubewachsenen Stämmen uralter Bäume, die Wände wurden von dichten Hecken gebildet. Im Tempelinnern befand sich der heiligste Gegenstand des ganzen Dorfes: eine mehr als mannshohe Statue der Göttin, die auf einem Sockel thronte, der einst der Stumpf einer gewaltigen Eiche gewesen war.
    Der Tempel war von Flammen umgeben. Das Feuer prasselte auf eine Weise, dass es wie Regen klang. Die Steinstufen, über die man ins Tempelinnere gelangte, waren voller Opfergaben: Körbe mit Bündeln aus frischem Frühlingsgrün, braune Brotlaibe und ein Wels, der eine Armeslänge lang war. Die geflochtenen Riedkörbe verzogen sich in der Hitze der Flammen und kräuselten sich.

    Dann tauchte aus dem Rauch und den wogenden Flammen des Tempeleingangs ein Fremder auf, der die aus Mahagoni geschnitzte Statue der Göttin unsanft hinter sich herzog. Es war ihm nicht anzumerken, ob der Rauch in seinen Augen brannte oder seine Lunge reizte, und er wich auch nicht vor der schrecklichen Hitze zurück. Er stieß die Opfergaben mit den Füßen beiseite, während er weiterging, und platzierte die Göttin auf einer der Steinstufen unterhalb von sich. Er hantierte mit der schweren Holzstatue, als würde sie nicht das Geringste wiegen.
    Verwirrung breitete sich unter den Anwesenden aus, und Bemerkungen wurden geäußert. Hatte dieser Fremde den Tempel angezündet, oder hatte er die Göttin vor der Feuersbrunst gerettet?
    Schweigen senkte sich über die Menge, als der Fremde sich zu seiner vollen Größe aufrichtete – er maß gut und gern zehn Fuß, und seine breiten Schultern waren weder durch Furcht noch durch Arbeit gebeugt. Obwohl in dieser Nacht der Befehl galt, dass die Haut unbedeckt blieb, trug er einen schwarzen Wollumhang, der ihm bis zu den schweren Lederstiefeln reichte. Seine rußbefleckte Haut war so dunkel wie seine Kleidung. Das einzig Strahlende an ihm waren seine Augen, die unter einem breitkrempigen Hut leuchteten. In der riesigen rechten Hand hielt er ein dickes, schwarzes Buch.
    In der benommenen Stille öffnete der Fremde das Buch und las mit donnernder Stimme: »DU SOLLST KEINE ANDEREN GÖTTER HABEN NEBEN MIR. DU SOLLST DIR KEINE GÖTZEN NOCH IRGENDEIN ABBILD ERSCHAFFEN VON IRGENDETWAS, DAS IM HIMMEL
ÜBER DIR IST ODER IN DER ERDE UNTER DIR ODER IM WASSER UNTER DER ERDE.«
    Und dann, nach dieser Erklärung, öffnete der Fremde seinen langen schwarzen Umhang und brachte eine Holzfälleraxt zum Vorschein, die beinahe vier Fuß lang war und deren scharf geschliffene Schneide das Feuerlicht einfing. Die Axt hing vom Gürtel herab, ohne den Boden zu berühren.
    »Es ist möglich«, knurrte der Fremde, »dass ihr in Unwissenheit lebt und euch eure Sünde nicht bewusst ist.« Er schwenkte das schwere Werkzeug mit nur einer Hand hoch über dem Kopf. »Der Herr hat mich geschickt, um euch den Weg zu weisen.« Wie ein Blitz fuhr die Axt herunter und spaltete die Göttin. Die beiden Hälften fielen klappernd die Steinstufen hinunter.
    Die Frauen auf dem Hügel stimmten Klagegesänge an. Sogar einige der Männer weinten. Recanna hielt sich an Bant fest, der betäubt dastand. Die Göttin war ewig; sie hatte stets ihren Platz in der Mitte des Dorfes gehabt. Wie war das, was jetzt geschehen war, möglich, außer, dass sie alle sich in der Gegenwart von etwas befanden, vielleicht einem Gott, der noch mächtiger als Ashera war?
    »Und jetzt, da dieser Unsinn hinter uns liegt«, sprach der Fremde, »werdet ihr befreit werden durch die Wahrheit.«
    »Die Wahrheit?«, rief ein Mann und trat vor. Es war Jomath. »Ihr wagt es, im Angesicht solcher Blasphemie von Wahrheit zu sprechen?«
    »Ja«, sagte der Fremde. »Seid vorsichtig. Handelt nicht verärgert
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