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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire
Autoren: Emily Carmichael
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gerade zu einer angenehmen Atmosphäre bei. Der Gestank des Unrats, der sich im Burghof beständig häufte, war beinahe ebenso widerlich wie der der liegengelassenen Toten vor den Mauern. Es herrschte ein beständiges Lärmen von wimmernden Kindern, gackernden Hühnern, blökenden Schafen und gereizt schimpfenden Männern und Frauen. Streit brach immer wieder aus. Alaine, als Burgherrin, mußte immer öfter über Händel und Zankereien Gericht sitzen. In einem Fall biß sie die Zähne zusammen und befahl, zwei freie Bauern – der eine aus Gauchemain, der andere aus dem Dorf Brix – öffentlich auspeitschen zu lassen, die wegen einer Frau übereinander hergefallen waren. Schon allein, wenn sie eine leichte Prügelstrafe anordnete, drehte sich ihr der Magen um. Doch ohne eine starke Hand drohte sich die Lage im Burghof in eine Hölle zu verwandeln. Nachdem sie ihre Entschlossenheit bewiesen hatte, im Burghof Ordnung herzustellen, wurde es ruhiger, doch Angst und Unruhe hingen in der Luft wie die drückende Stille vor dem Sturm.
    Rorik erschien nicht, und Guillaumes nochmalige Versicherungen klangen täglich hohler. Unter den zahllosen Kriegern, die Gilbert in das Gefecht an die Mauer befahl, gab es immer mehr Todesopfer. Alaine verfluchte Gilbert, verfluchte Phillip, verfluchte William, sie verfluchte sogar Rorik. Am Tag, als Guillaume von einem neuerlichen Fieberanfall auf sein Lager geworfen wurde, beschloß sie, die Zufluchtsuchenden in den inneren Burghof übersiedeln zu lassen, sollte das Undenkbare doch noch eintreffen. Der Platz reichte nur für die Menschen. Das Vieh mußte im äußeren Burghof seinem Schicksal überlassen werden. Sie sah zu schwarz in die Zukunft, ermahnte sie sich selbst. Gilberts Truppen könnten sich die Schädel an den Mauern zerschlagen und trotzdem keinen Zoll weiterkommen. Und wenn auch Guillaume bewußtlos auf seinem Lager darniederliegt, so fühlte sie sich durchaus in der Lage, die Verteidigung der Burg selbst in die Hand zu nehmen und Gilbert in Schach zu halten. Doch nagte der Zweifel an ihr.
    Drei Wochen nach Beginn der Belagerung wurde die äußere Mauer überrannt. Am selben Tag traf Rorik mit seinem Heer ein.

26
    Die schwarze, Sternenlose Nacht hüllte Rorik in den dichten Wäldern nahe bei Brix ein. Nur Rorik und Sihtric drangen über den Saum des heidebedeckten Moors vor, das an die äußeren Palisaden bis zur Außenmauer der Festung heranreichte. Lagerfeuer blinkten wie helle Tupfer auf dem Gelände zwischen den Palisaden und der Mauer, kaum vernehmbare Gesprächsfetzen und Gelächter drangen über das Moor, bis hin zu den beiden Männern auf ihren Streitrössern. Das unruhige Licht der Fackeln erhellte das immer noch unversehrte, aber sperrangelweit offene Haupttor der Burg.
    »Miles sagt, die innere Burgmauer sei auch gefallen«, berichtete Sihtric. »Sie fiel nach nur kurzem Kampf im äußeren Burghof.«
    »Ich glaube, hier hat irgend jemand einen großen Schnitzer begangen,« brummte Rorik.
    »Ja. Guillaume hätte wohl wissen müssen, eine starke Linie von Kämpfern um den inneren Burghof aufzustellen.«
    »Wie dem auch sei«, erwiderte Rorik gelassen. »Der Sieg wird Gilbert wenig nützen.«
    Spät in der Nacht auf dem kalten Boden liegend, versuchte Rorik etwas zu schlafen. Doch der Schlaf wollte nicht kommen. Seine Gedanken kehrten stets zurück zu den fackelerhellten Mauern, und dem dunklen Wehrturm der Festung. Die Belagerer verhielten sich zu unachtsam und unbesonnen. Es war unmöglich, daß Gilbert, hatte er auch nur einen Funken Verstand im Kopf, nicht um Roriks Anwesenheit wußte.
    Es sei denn, es gab jemand in der Burg, der an Gilberts Seite stand, auf den er zählen konnte, sollte ihm ein Angriff von rückwärts drohen.
    Der hartnäckige Gedanke vertrieb jeglichen Schlaf. Alaines Bild schwebte ihm vor seinem geistigen Auge. Würde Alaine die Geschichte fortführen und ihrem ehemaligen Freier Einlaß in den Bergfried gewähren? Rorik hatte schon geglaubt, daß eine Art Glück zwischen ihnen zu wachsen begann, da hatte ihn Williams Befehl fortgerufen. Aber wer kannte schon die Gedanken und das Herz einer Frau?
    Rorik setzte sich fluchend auf und streifte die Erde von seinem Mantel ab. Er wollte es einfach nicht hinnehmen, daß Alaine ihn hinterging, gleichgültig wie logisch seine Folgerungen auch waren. Er trat auf den schnarchenden Sihtric zu und stieß den blonden Hünen mit dem Fuß.
    »Mmmpf!« grummelte dieser.
    »Aufstehen, du Riesenlümmel.«
    Der
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