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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire
Autoren: Emily Carmichael
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Bleigewichte hielten sie nieder. Gunnor stürzte sich mit flammenden Augen auf sie. Sie packte sie und beutelte sie hin und her.
    »Mylady! Mylady!« Das Schütteln war auf einmal Wirklichkeit. Alaine bemühte sich, den Schlaf abzuschütteln. »Mylady!«
    Gunnors verhutzelte Dienerin hockte über ihr. »Entschuldigt, daß ich Euch wecke, Lady, doch meine Herrin ist nirgendwo zu finden!«
    Schläfriges Gemurmel erhob sich unter den Zimmergenossinnen Alaines bei diesem Gespräch mitten in der Nacht, doch Alaine achtete nicht auf sie. Benommen vor Schlaftrunkenheit und der Last ihres Leibes, erhob sie sich taumelnd. »Wir müssen sie finden«, erklärte sie der zusammenzuckenden Dienerin. »Nein«, fuhr sie sie ungeduldig an. »Sei nicht so eine ängstliche Maus. Ich bin nicht böse auf dich, daß du dich ducken mußt.«
    Der Saal war stockfinster, und nur das Schnarchen und Rascheln der schlafenden Menschen auf dem Steinboden, neben der Feuerstelle und auf den harten Holzbänken entlang der Mauer durchbrach die Stille. Das unruhig flackernde Licht der Kerze in Alaines Hand genügte, um nicht auf die schlafenden Leiber am Boden zu treten.
    Sie fanden Gunnor in der Küche, wo sie die letzten Brotstücke verschlang, die für die Morgenmahlzeit vorgesehen waren. Verärgert schickte Alaine die kleine Magd mit einer Handbewegung hinaus.
    »Ich hatte Hunger«, erklärte Gunnor völlig ungerührt. »Ich schwöre, dein Koch gibt viel zu wenig aus seiner Küche her.«
    »Er tut dies auf mein Geheiß«, erklärte Alaine aufgebracht. »Wir können unsere Nahrungsvorräte nicht auffüllen, also müssen wir unsere Vorräte so weit wie möglich strecken. Da du dich mit einem Teil unserer Morgenmahlzeit vollgestopft hast, kannst du morgen ohne deine Portion auskommen.«
    »Ich werd’ nichts dergleichen tun!« gab Gunnor zurück.
    »Du verläßt deine Kammer nicht eher, bis wir alle unsere Morgenmahlzeit eingenommen haben«, warnte sie. »Tust du es, dann versäumst du mehr als nur eine Mahlzeit.«
    Alaine wartete solange ab, bis kein Rascheln von Gunnor mehr zu hören war. Dann kehrte sie in die Küche zurück, die Laterne auszumachen. Beim Eintreten in den Saal bemerkte sie zum erstenmal, daß die Vorhalle im Dunkeln lag. Sie war in der Tat finster wie die Hölle. Ihr Herz begann zu hämmern. Irgend etwas stimmte nicht. Keine Menschenseele befand sich in der Vorhalle. Gewöhnlich stand eine Wache an der schweren Pforte unten am Treppeneingang, doch niemand war da.
    Sie war eben im Begriff in den Saal zurückzukehren, um Hilfe zu holen, als ein schlurfendes Geräusch sie an Ort und Stelle erstarren ließ. Dann ertönte das unverwechselbare Geräusch splitternden Holzes. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Ohne zu überlegen zog sie den Dolch, den sie seit einiger Zeit bei sich trug, aus ihrem Gürtel hervor und begann die Treppen hinabzusteigen. Fast erwartete sie ein Gespenst im Schattengeflimmer ihrer Fackel auftauchen zu sehen. Doch wer dort am Treppenabsatz im trüben Licht eines Wandleuchters stand und mit seinem Schwert auf die schweren Querbalken des Eingangs zum Bergfried einhieb, war beileibe kein Gespenst. Die zwei Wachposten vor der unteren Eingangspforte, die sie vermißt hatte, lagen ausgestreckt am Boden. Ihr Blut färbte den Steinboden dunkelrot.
    Sir Guillaume wandte sich um, ehe er zu einem weiteren Hieb mit dem Schwert ansetzte. Alaines Fackellicht drang in die geräumige Kammer, die von der Pforte des Bergfrieds zum Gewölbe führte.
    »Sir Guillaume!« krächzte Alaine, als sie schließlich ihre Stimme wiederfand. »Ihr solltet doch …!«
    »Ihr werdet Euch noch wünschen, daß Ihr oben auf Eurem angestammten Platz geblieben wäret. Ihr könnt mich nicht aufhalten.«
    Er hielt sein Schwert kampfbereit. Sie nahm mit Recht an, daß er keinen Augenblick zögern würde, sie zu töten, nun, da sie mit ihrer Fackel und ihrem kleinen Dolch zwischen ihm und der Tür stand. Zweifellos waren Gilbert und sein Heer im Schutze der Nacht hereingedrungen und warteten auf der anderen Seite dieser Barriere.
    »Würdet Ihr Rorik hintergehen?« fragte sie, um die Zeit hinauszuzögern. Bald würde die Patrouille von oben in die Wohngeschosse kommen und sie hätte die Hilfe, die sie brauchte, diesem Verräter die gerechte Strafe zukommen lassen. »Er wollte Euch zum Vogt auf einer seiner Burgen im Osten ernennen und Euch eine Erbin als Gemahlin suchen. Zudem habt Ihr dem Herzog jahrelang gedient. Wie könnt Ihr ihn so hintergehen?«
    »Ja,
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