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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints
Autoren: Andrea Schacht
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wirkt?«
    »Na ja, das ist schon ein komischer Zufall. Aber ich weiß nicht, ob ich das machen soll, Nicole. Wo soll ich denn überhaupt anfangen, diese Enkelin zu suchen?«
    »Ich könnte ja mal das Pendel für dich befragen.«
    Ich unterdrückte ein Lächeln. Nicole hatte seit kurzer Zeit einen absoluten Pendel-Tick und traute ihrem kleinen, spitzen Messinganhängerchen zu, auf jede beliebige Frage eine Antwort zu haben.
    »Gib mir lieber etwas Zeit, über diesen eigenartigen Auftrag nachzudenken, Nikki.«
    Das tat ich dann auch, und als ich die Konsequenzen vor mir sah, war ich geneigt, an einen Eingriff höherer Gewalten zu glauben – ich, die ich weder religiös noch abergläubisch war.
    »Aber ich könnte nebenbei endlich meine Diplomarbeit schreiben«, wandte ich ein, als Ulli nur verständnislos den Kopf schüttelte.
    »Ein Hirngespinst ist das, wenn du mich fragst. Meine Güte, die Frau, diese Josiane, ist seit gut dreißig Jahren tot. Wie willst du denn da noch eine Spur auffinden?«
    »Das weiß ich jetzt auch noch nicht, aber ich habe ja ein ganzes Jahr Zeit. Bis zum 31. Juli im nächsten Jahr. Das Geld, das ich dafür bekomme, wird ja wohl nicht nur für Reisen und so draufgehen.«
    »Und du meinst, du kannst beides unter einen Hut bringen, diese absurde Suche und eine Diplomarbeit? Weißt du überhaupt, was das heißt? Recherchen, Untersuchungen, Berge von Literatur wälzen …«
    »Hör mal, Ulli, ich habe schon eine Reihe von Semesterarbeiten während des Studiums geschrieben. Das hat mich nicht an die Grenzen der Belastung getrieben. Ich konnte mir durchaus mal die eine oder andere halbe Stunde Freizeit abzwacken.«
    »Klar, du bist ja auch der Überflieger in der Familie! Was hast du überhaupt studiert? Warum erzählst du mir das eigentlich jetzt erst?«
    Ulli wurde richtig giftig, und mit einem Mal wurde mir klar, dass er in seiner Ausbildung ziemlich zu kämpfen gehabt hatte. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum ich ihm nie etwas von meiner Zeit an der Uni erzählt hatte. Das und noch ein paar andere Umstände aus der Vergangenheit.
    »Ich habe Sozialpädagogik studiert«, gab ich kleinlaut zu und erntete ein nachsichtiges Lächeln.
    »Ach so! Und du glaubst, du kannst da jetzt so ohne Weiteres wieder einsteigen?«
    »Sicher nicht ohne eine ganze Menge wieder aufzufrischen, aber es wäre wirklich eine Chance. Ich habe ja inzwischen eine Menge praktischer Erfahrung gesammelt.«
    »Warum hast du überhaupt aufgegeben, bevor du deinen Abschluss gemacht hast?«
    »Wegen Patrick«, beschied ich ihn kurz.
    »Klar. Aber jetzt spielt dein Sohn keine Rolle mehr? Jetzt willst du vermutlich wie eine wilde Hummel in der Weltgeschichte herumschwirren und diese blödsinnige Enkelin suchen? Wenn sie überhaupt existiert, will die wahrscheinlich überhaupt nichts von ihrer Familie wissen. Könnte doch auch sein, oder?«
    »Vielleicht doch?«
    »Dann hätte sie sich ja wohl mal melden können, oder?«
    »Aber wenn sie nicht weiß, wer sie ist?«
    »Dann findest du sie auch nicht. Amanda, ich denke, es wäre viel vernünftiger, du suchst dir eine feste Stellung als Pflegerin in einem Heim. Mit geregelten Bezügen und Arbeitszeiten.«
    Er versuchte, mich noch eine ganze Weile lang zu überzeugen, aber immer mehr klang mir meine eigene Frage in den Ohren: »Aber wenn sie nicht weiß, wer sie ist?«, denn genau dieses Problem war auch meines. Seit ich denken konnte, fragte ich mich das, und in den letzten Jahren war die Frage immer dringender geworden. Wer war ich eigentlich?
    Wenn also irgendetwas den Ausschlag gab, sich auf diese unmögliche Suche zu machen, dann waren es gerade Ullis Einwände, die mich trotzig auf den Weg brachten.
    Für ein paar Tage war unser Verhältnis ziemlich unterkühlt,dann gab er allerdings mit einem gelangweilten Schulterzucken nach, wenn er auch keine besondere Unterstützung war. Ich hingegen kümmerte mich in meiner freien Zeit diesmal nicht um einen neuen Pflegeauftrag, sondern nahm Kontakt zur Universität auf, die sich zum Glück in leicht erreichbarer Nähe befand. Ein Umzug in eine andere Stadt – das wäre vermutlich das Ende unserer Beziehung gewesen. Auch Patrick wollte ich das nicht zumuten. Im Augenblick ging das Sommersemester dem Ende entgegen, und nachdem ich die bürokratischen Formalitäten erledigt hatte, stand es mir frei, mich für das Wintersemester einzuschreiben und mir einen Betreuer für die abschließende Arbeit zu suchen.
    Nachdem ich das alles an
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