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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints
Autoren: Andrea Schacht
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aber unbarmherzig wurde sie umhergeschleudert. Orientierungslos in der pulsierenden Dunkelheit begehrte sie auf, wehrte sich, aber unbarmherzig wurde sie weiter und weiter gezogen, bis sie plötzlich das Licht am Ende des Tunnels sah. Ungehalten und ziemlich empört protestierte sie lautstark, was jedoch nichts Wesentliches bewirkte. Also kam sie zu der Erkenntnis, dass ihr ein Missgeschick geschehen war, das sie im Augenblick nicht ändern konnte. Darum versuchte sie, wenigstens herauszufinden, wo sie gerade angekommen war. Von irgendwoher vernahm sie leises Murmeln, ferne Musik und bewundernde Worte. Schließlich kam sie zu dem Schluss, dass es die Welt der Sterblichen sein müsste, in die sie so unfreiwillig befördert worden war. Eine Welt, in der ihr, sofern sie sich richtig erinnerte, in der Vergangenheit Anbetung und Verehrung, Zärtlichkeit und Süße zuteil geworden waren. Und wenn ihr auch die Begegnung mit ihrem Liebsten verwehrt war, so war das doch nicht das schlimmste Schicksal. Es schien sich auch nicht viel verändert zu haben seit ihrem letzten Aufenthalt, denn die Menschen beteten sie weiter an, brachten ihr Opfer und salbten sie.
    Zum Dank lächelte die Göttin, und die Menschen waren glücklich.
KAPITEL 4

    Der Fels im Leben
    Am Abend nach Gitas Tod saß ich noch lange am Wohnzimmerfenster und sah zu, wie die graublaue Dämmerung zur Nacht wurde. Ich war zwar vollkommen übermüdet, aber mir ging soviel im Kopf herum, dass ich nicht ins Bett gehen wollte. Schon gar nicht zu Ulli, der mir eine völlig unerklärliche Szene gemacht hatte, weil ich in der Nacht mit Patrick zusammen zu Gita gefahren war. Seiner Meinung nach war mein beruflicher Einsatz übertrieben. Er warf mir vor, ich distanziere mich nicht genug von den Fällen und nehme alles viel zu persönlich.
    »Noch nicht mal einen Zettel mit einer Nachricht hast du hinterlassen. Was glaubst du wohl, wie ich mir vorkomme, wenn ich morgens aufwache, und die Bude ist verlassen!«
    Als ich mich lahm verteidigte, denn natürlich war an diesem Vorwurf etwas Wahres dran, schlug er in die nächste Kerbe: »Und dann musst du auch noch abends zu deiner Zappelstunde gehen!«
    So nannte er meine Versuche, mir ein bisschen ausgleichende körperliche Bewegung zu verschaffen. Gegen die sportliche Betätigung hatte er im Prinzip nichts, aber dass ich dazu einen Bauchtanzkurs der hiesigen Volkshochschule besuchte, war ihm von Anfang an ein Dorn im Auge. Ich hatte mir schon eine ganze Reihe ziemlich abfälliger Bemerkungen dazu anhören müssen. Mir platzte diesmal der Kragen, und wir zankten uns fast eine Stunde lang. Es war nicht besonders konstruktiv, und schließlich kam für mich dabei nur heraus, dass Ulli sich in den letzten Wochen nicht genügend beachtet gefühlt hatte. Die Stimmung wurde ausnehmend unerquicklich, mit einem muffeligen Schweigen trottete er schließlich mit einer Zeitschrift unter dem Arm in sein Zimmer. Ich machte das Fernsehgerät an.
    Natürlich hatte er mir ein schlechtes Gewissen verursacht, mit dem ich mich dann alleine auseinandersetzen konnte. Denn eigentlich ist Ulli ein gutmütiger, beständiger Mensch, der mir ineiner Zeit, als ich kaum noch an die Möglichkeit eines ruhigen Zusammenlebens mit einem Partner geglaubt hatte, einen sicheren Halt im Leben gegeben hatte. Seit drei Jahren waren wir jetzt zusammen, und normalerweise gestaltete sich unsere Beziehung recht harmonisch. Dass ihr das aufregende Prickeln fehlte, störte mich nicht. Im Gegenteil, derartige Gefühlsverwirrungen hatte ich einmal erfahren und wollte mir durch diesen Zustand nicht noch einmal mein Leben auf den Kopf stellen lassen. Entschieden verbannte ich den Gedanken an dieses Kapitel der Vergangenheit, auch wenn das nicht endgültig möglich war. Denn als lebender Beweis schlief mein Sohn nebenan in seinem sorgsam aufgeräumten Zimmer.
    Patrick war ein seltsames Kind. Er war von Natur aus ordentlich und hatte eine außergewöhnlich große Neigung zu allen abstrakten Problemen. Er tüftelte an mathematischen Aufgabenstellungen herum, die seine Lehrer in Erstaunen versetzten, nervte Ulli ständig mit irgendwelchen technischen Fragen, und ganz selbstverständlich hatte er mir zu seinem letzten Geburtstag einen PC abgeschmeichelt. Meine Befürchtungen aber, er könne dadurch ein Einzelgänger und Stubenhocker werden, hatten sich zum Glück nicht bewahrheitet. Irgendwie fand Patrick auch immer noch Zeit für ein Fußballspiel, lieber aber noch für seine
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