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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints
Autoren: Andrea Schacht
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der ersten Stunden Amadea, denn wir lieben die Göttin in uns und wir handeln richtig, wenn wir ihr dienen.
    Manche von uns dienen ihr, indem sie heilen und trösten, manche, indem sie Wissen erwerben und es verbreiten, manche, indem sie die Omen deuten und Ratsuchende führen, manche, indem sie für sie kämpfen, manche dienen ihr auch in Schönheit – indem sie ihr Bildnis formen oder Hymnen dichten, ihre Lieder singen oder für sie tanzen. Wir alle aber müssen ihr auch in Zerstörung und Tod dienen. Denn sie ist die Mutter des Lebens, das gegeben wird, sich wandelt und genommen wird, um wiederzukehren im ewigen Kreislauf. Sie ist die Mitte, die wir finden, aus der wir kommen, von der wir uns entfernen müssen und schließlich zurückkehren dürfen.«
    So schrieb Amalgundis, und jede von uns, die das Vermächtnis annahm, führte es mit ihren Worten fort und ergänzte die Erinnerung mit ihren eigenem Wissen. Als ich die vielen Blätter durchlas, sah ich, daß die Göttin für jede der Frauen eine andere Gestalt angenommen hatte. Meine Mutter erklärte mir, daß sie auch für mich eines Tages einen Namen haben würde.
    Heute, am Tag, an dem ich zur Frau wurde und die Münze aus der Hand meiner Mutter Gita erhielt, verspreche ich, mich auf die Suche nach ihr zu machen.
    Ich bin noch jung, meine Erfahrungen in diesem Leben sind gering, ich kann noch nicht viel über sie berichten. Aber in der vergangenen Woche stieß ich auf einen Bericht über die Ausgrabungen in Knossos. Dort hat man ein Tontäfelchen gefunden, das über 3500 Jahre alt ist und folgende Inschrift trägt:
    ›Ein Honigtopf für alle Götter
Ein Honigtopf für die Herrin des Labyrinths‹
    Gita sagt, daß Zufälle nicht zufällig geschehen, und darum schreibe ich es heute auf. Wer weiß, ob ich später noch eine Gelegenheit dazu habe.
    Ich segne dich, meine ungeborene Tochter Amadea. Möge die Göttin in ihren vielen Gestalten immer bei dir sein.
Josiane
    Dr. Wentz war leise hinausgegangen, ich war alleine mit meinen Ahninnen und dem Topf mit Honig. Josiane hatte den ihren nicht mehr opfern können, und sie hatte es geahnt. In dem irdenen Gefäß war noch der, den Gita selbst hineingestellt hatte. Sehr vorsichtig nahm ich ihn heraus. Ein kleines, staubiges Glas, über siebzig Jahre alt. Die Göttin musste hungrig geworden sein.
    Zu gerne hätte ich jetzt die älteren Schreiben gelesen, die vielen Erfahrungen, die die Generationen von Frauen, Mädchen und Müttern vor mir gemacht hatten. Aber das musste warten. Vorsichtig schlug ich den Folianten zu und nahm das Glas an mich.
    »Nun, meine Liebe, sind Sie aus den Aufzeichnungen klug geworden?«
    »Dr. Wentz, kann ich sie mitnehmen? Oder müssen sie gesondert aufgehoben werden? Sie sind zum Teil über sechshundert Jahre alt.«
    »Ich werde mich erkundigen. Lassen wir sie vorerst hier. Sie haben ja jederzeit Zugang zu ihnen.«
    »Gut, vielen Dank.«
    Damon hatte geduldig gewartet und sah mich jetzt erwartungsvoll an.
    »Darfst du darüber sprechen?«
    »Ich denke schon. Aber zuerst habe ich etwas zu erledigen. Ich brauche festes, alterungsbeständiges Papier und einen Topf Honig. Oder – mh, nun ja – sagen wir, zwei. Vielleicht auch noch ein paar Brötchen.«
    Ich hatte nämlich mit einem Mal einen geradezu überwältigenden Hunger auf Honig. Kretischen Honig!
    In der Welt in den Welten saß die Göttin und stippte zufrieden ihren göttlichen Finger in den Topf mit dem süßen Gold und schleckte es genüsslich mit ihrer göttlichen Zunge ab.
    Das Opfer, nach dem es sie verlangt hatte, war dargebracht worden, und gnädig lächelte sie den Sterblichen zu.
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Informationen zum Buch
    Ein geheimes Vermächtnis
    Nachdem ihre Mutter bei Unruhen in Ägypten umgekommen ist, wird Amanda von einer deutschen Familie adoptiert und wächst in Deutschland auf. Doch die vagen Erinnerungen an die ersten Lebensjahre führen dazu, dass sich sie ihr Leben lang mit der Frage beschäftigt: Wer bin ich? Nach einer gescheiterten Ehe und dem Tod ihrer Adoptiveltern lernt Amanda als erwachsene Frau eine alte Dame kennen, die sie bis zu deren Tod pflegt. Auf dem Sterbebett bittet Gita sie, das Kind ihrer seit Jahren verschollenen Tochter Josiane zu suchen, damit es sein Erbe antreten kann. Zögernd beginnt Amanda die beinahe aussichtslose Suche. Als einzige Hinweise erhält sie einen Brief, der die Nachricht über Josianes Tod enthält, eine alte Münze und ein seltsamen Rätselspruch.
    Ein Roman
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