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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints
Autoren: Andrea Schacht
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Gegen diese Gestalt kann ich erst recht nicht kämpfen.« Nach einer Weile setzte er hinzu: »Und den eigentlichen Kampf musste ich sowieso gegen mich selbst führen.«
    »Ja, so habe ich es gesehen, Damon. Darum habe ich dir gesagt, was ich wusste.«
    »Danke.«
    Wir saßen eine Weile still beieinander, Damon hatte seinen Kopf auf meine Knie gelegt und atmete ganz ruhig. Auf seinem Arm hatte sich eine lange, verschorfte Linie gebildet, dort, wo er sich selbst geschnitten hatte. Ein archaisches eigenes Blutopfer, um nicht das Blut eines anderen zu vergießen. Ich wollte darüberstreichen, aber da hob er seinen Kopf und sah mir in die Augen. Es lag kein Spott darin und auch keine Herausforderung, sondern so etwas wie eine leise Unsicherheit.
    »Es heißt, dass das alte Ritual mit der Rückkehr aus dem Labyrinth noch nicht beendet war.«
    »Nein. Die Priesterin hat doch sicher auch eine Rolle darin gespielt?«
    »Ja, das hat sie. Es endete mit der Heiligen Hochzeit, mit der Vereinigung von Priesterin und Initianten, der Begegnung von Göttin und Gott.«
    »Soll das nun auch vollzogen werden?«
    »Es liegt an dir, Amanda.«
    Und sie, die zu mir gekommen war, erhob ihr Haupt und entzündete auch diese Flamme.
    »Dann soll es so sein.«
    Ich stand auf und nahm den Kerzenleuchter vom Tisch. Damon ging voraus in sein Schlafzimmer. Ein großer Raum, in dem zwar ein breites Bett stand, aber die Wände waren mit Bücherregalen zugestellt, und eine Ecke beherrschte ein Schreibtisch. Darauf befanden sich ein Laptop und ein Stapel Papier.
    »Du siehst, ich kann oft nicht schlafen.«
    »Dann betäubst du dich mit geistiger Akrobatik?«
    »So ähnlich.«
    Als ich den Leuchter abgestellt hatte, drehte mich zu ihm. Ich fühlte mich seltsam beklommen. Fast, als sei es das erste Mal, dass ich mit einem Mann zusammenkam. Aber auf eine ganz eigene Weise war es ja auch so. Damon rührte sich nicht, und ich ahnte, dass die Initiative bei mir liegen musste. Vorsichtig schob ich meine Hände unter sein T-Shirt, zog es hoch und über seinen Kopf. Sein bloßer Oberkörper trug die Spuren seines Kampfes – rote Prellungen und Abschürfungen. Manche davon mussten ihm noch sehr weh tun. Aber warum sollte ich eine Bemerkung dazu machen? Ich löste die Schleife des Gürtels, der den Kimono zusammenhielt, und legte das Gewand ab. Darunter trug ich nichts.
    Es lag eine unausgesprochene Spannung zwischen uns, eine Erwartung, die nicht nur dem körperlichen Begehren entsprang. Ich fühlte den Blick aus Damons schillernden Augen über mich gleiten, und er war intensiver als jede Berührung mit seinen Händen.
    »Du bist so schön, Amanda«, flüsterte er. »Ich habe dir das noch nie gesagt. Du bist so schön! Eine flammende Göttin, wenndu tanzt, eine besessene Furie, wenn du wütend bist. Du bist so schön und so begehrenswert als Geliebte und ebenso sanft wie schonungslos als Mutter. Du bist so viel.«
    Ich hörte, und die, die bei mir war, lächelte zufrieden und füllte mich mit ihrer Sehnsucht.
    Mit einer Hand zog ich Damon auf das Bett. Er legte sich zu mir, und ich fühlte seine warme Haut auf meiner. Diesmal war es nicht das schwindelerregende Auflodern, das mich in bewusstlose Abgründe führte, sondern ein langsam sich ausbreitendes Glühen erfüllte mich. Ich wusste, was ich tat, und ich gab mich dem hin. In dieser seltsam formalen Vereinigung, in der die Leidenschaft nicht die Führung übernahm, sondern die Ritual war, wurde ich sie, die mich gefunden hatte. Die Göttin traf ihren Geliebten, und er war nicht mehr aus Stein. Er erkannte sie in ihrer neuen Gestalt, und er begegnete ihr mit Demut und Achtung. Sie fanden einander, und für eine kurze Weile, eben nur für eine Ewigkeit, kehrten sie heim in die Welt über den Welten, nicht mehr getrennt, sondern eins. Dort, wo die Universen geschaffen wurden, wo der Ursprung allen Lebens lag, da wurden sie Teil der Schöpfung.
    Doch dann trennten sich ihre Geschicke wieder, und die Göttin verspürte einen unbeschreiblichen Hunger, der sie zurück in die Welt der Sterblichen trieb. Noch war eine Rechnung offen …
    Durch die Dunkelheit kam ich zurück und öffnete die Augen. Damon lag neben mir auf die Seite aufgestützt und sah mir ins Gesicht. Sein warmer Körper berührte meinen, und seine Haut duftete leicht nach Sandelholz.
    »Amadea!«, sagte er ganz leise, und in diesem Augenblick stürzte die Erinnerung in einer gewaltigen Erschütterung auf mich ein.
    »Amadea, Süße. Meine wunderbare,
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