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Die Herrin des Labyrints

Die Herrin des Labyrints

Titel: Die Herrin des Labyrints
Autoren: Andrea Schacht
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musste.«
    »Ja, beide haben mir Bruchstücke erzählt. Es ergab ein Bild. Ein schreckliches.«
    »Richtig. Als mein Bruder tot war und man meinen Vater zur Rechenschaft gezogen hatte, kümmerte sich mein Großvater um mich, der Vater meiner Mutter. Sie selbst war nicht mehr in der Lage dazu. Sie hatte sich aus der Realität in ihre Traumwelt zurückgezogen und war nur noch selten erreichbar. Das war auch zuvor schon vorgekommen. Im Grunde war sie hochintelligent, sehr sensibel und phantasiebegabt. Sie konnte wunderbare Geschichten erfinden … Irgendwann erzähle ich dir mehr von ihr. Ich jedenfalls ging ins Internat, besuchte in den Ferien meine Großeltern, selten meine Mutter. Ich fand langsam Vergessen, einfach dadurch, dass ich meinen Geist beschäftigt hielt. Bei vielen galt ich als Streber, verbissen, kaltherzig, berechnend. Es kam natürlich auch die Zeit, in der Mädchen und Frauen eine Rolle spielten. Pflichtbewusst spielte ich mit, um nicht zum Außenseiter zu werden. Manchmal war es auch ganz amüsant. Aber es berührte mich nicht sonderlich.«
    »Ja, dieser Ruf hing dir an. Manche von uns empfanden das als Herausforderung.«
    »Zum Beispiel diese verrückte, in allen roten Farben lodernde Tänzerin, der ich eines Abends begegnete. Sie hat mich wider Willen verlockt und verführt. Mein Gott, es war eine wahnsinnige Nacht, und ich brannte vor Leidenschaft. Das war mir zuvor noch nie passiert. Am Morgen war sie fort, und ich wusste noch nicht einmal ihren Namen.« Er machte eine Pause und zuckte mit den Schultern. »Ich wollte dich wiedersehen, Amanda, aber ich war zu stolz, meine Freunde oder gar Isabell nach dir zu fragen. Das konnte ich mit meinem unterkühlten Selbstbild nicht vereinbaren. Du bliebst verschwunden, bis zu dem Tag, an dem du mich vor dem Seminarraum erwartet hast. Ich freute mich, wollte dir das aber natürlich nicht zeigen. Mein Fehler!«
    »Du freutest dich? Das hast du wirklich gut versteckt.«
    »Ich kann alle Emotionen gut verstecken, das weißt du doch. Na ja, fast alle.«
    »Ja, das hatte ich vor Augen, als ich damals mit dir sprach. Irgendwie konnte ich mir nicht vorstellen, dass du überhaupt nichts fühlst.«
    »Arme Amanda! Inzwischen habe ich eine Ahnung davon, wie es damals um deine Gemütslage bestellt war. Was ich bewundere, ist, dass du den Mut aufgebracht hast, mich trotzdem aufzusuchen und mich um Hilfe zu bitten. Es muss dich eine schreckliche Überwindung gekostet haben. Und ich habe dich auch noch behandelt wie die letzte Schlampe. Glaub mir, ich war schon damals nicht besonders stolz darauf.«
    Ich hörte zu, und ohne dass ich es wollte, schlich sich meine Hand nach vorne und berührte Damons zerzauste Haare. Ein Hauch von Sandelholz umgab ihn. Vertraut und warm. Er drehte sich zu mir um, und im weichen, goldenen Kerzenlicht lagen dunkle Schatten in seinen Gesichtszügen.
    »Mag sein, dass es dir nicht so vorkam, aber ich wollte dich wirklich heiraten. Ich hatte gehofft, damit die leidenschaftliche Tänzerin für mich zu besitzen. Aber die war und blieb verschwunden. Meine Versuche, sie in dir wieder zu wecken, waren nicht besonders geschickt. Dann kam Patrick zur Welt, und ich sah sie kurz noch einmal wieder. Das war, als du den Kleinen das erste Mal im Arm hattest, Amanda. Da leuchtete dein Gesicht so wie in jener ersten Nacht. Ich war verdammt eifersüchtig auf das Kind. Und du bist weiter distanziert geblieben, hast dich um das Baby und deine kranken Eltern gekümmert und mich nicht beachtet. Ich mache dir das nicht zum Vorwurf, Amanda. Dir blieb nicht viel anderes übrig bei meinem Verhalten. Es war nur folgerichtig, dass du um die Scheidung gebeten und dein Leben selbst in die Hand genommen hast.«
    »Na – in die Hand genommen? Es war eher ein Sichfügen in die Notwendigkeit.« Ich nahm das feuchte Handtuch vom Kopf und schüttelte meine Haare aus. Sie fielen in kleinen Löckchen bis über meinen Busen.
    »Damals hast du diese weiße Strähne bekommen.«
    Damon lächelte mich an, und mein Herz machte ein paar unrhythmische Hupfer.
    »Und ich habe mich in meine Arbeit gestürzt. In ungeheuer faszinierende Projekte, das eine oder andere Abenteuer, in der Wildnis und auch mit Frauen. Manches hat mich nachhaltig beeindruckt, durch vieles habe ich mich selbst besser verstehen gelernt. Dann tauchte nach Jahren eines Abends die rotgoldene Tänzerin auf. Ich hatte dich zuerst gar nicht erkannt. Erst als mir die weiße Strähne auffiel, machte es klick. Danach suchte
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