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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten
Autoren: Manda Scott
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zu sorgen, dass sie seine Stimme besser kannte als die jedes anderen. Sie war erst drei Tage alt, und schon pflegte sie ihre Mutter zu verlassen, wenn er sie rief, und quer über die Koppel auf ihn zuzugaloppieren, um ein bisschen Salz von seinen Fingern zu lecken.
    In all der Aufregung und der Freude über das kleine Stutenfohlen hatte Bán nur vage bemerkt, dass auch die Hündin kurz vor der Niederkunft stand. Als er jetzt darüber nachdachte, fiel ihm wieder ein, dass ihre Zitzen seit den vergangenen beiden Nächten Milch absonderten und dass er - als er an diesem Nachmittag neben ihr im Eingang des Rundhauses gelegen und seine Hand auf ihrem Bauch hatte ruhen lassen - einen kleinen, runden Kopf gegen seine Handfläche drücken gefühlt hatte.
    Der Junge spürte, wie ihn der Rüde in die Seite stupste, und ließ seinen Blick über das Rudel schweifen, auf der Suche nach der Hündin. Als er sie dort nicht fand, wandte er sich wieder zu dem Rundhaus um, in der Annahme, dass sie vielleicht noch immer im Eingang lag und dass er vorhin einfach über sie hinweggetreten war, ohne sie zu bemerken. Aber sie war nicht da. Und auch seine Mutter nicht, wie er feststellte, als er einen Blick durch den Türvorhang ins Innere des Hauses warf.
    Er ließ den Vorhang wieder zurückfallen. Es gab eine Menge Gründe dafür, weshalb seine Mutter mitten in der Nacht das Haus verlassen haben könnte, und eine werfende Hündin war nicht der Wichtigste davon. Wenn sie die Siedlung verlassen hatte und jenseits des Schutzwalls unterwegs war, dann würde er sie vielleicht niemals finden. Neben dem großen Rundhaus gab es nur noch sechs andere Gebäude - sieben, wenn man das Getreidesilo mitzählte - innerhalb des kreisförmigen Grabens, aber dahinter lagen die Pferdekoppeln und der Fluss und dann der Wald, in dem Gefahren lauerten, denen ein Junge von acht Jahren einfach nicht gewachsen war. Seine Mutter hatte ihm unter Androhung von Verfluchung verboten, nachts ohne die Begleitung eines Erwachsenen durch das Tor zu gehen. Wenn die Coritani angriffen und er drauf und dran war, zu sterben oder in die Sklaverei verschleppt zu werden, dann konnte er sich vielleicht über das strikte Verbot hinwegsetzen, aber sonst nicht.
    Wo sollte er also nach ihr suchen? Er kaute unschlüssig auf seiner Unterlippe und drehte sich langsam im Kreis, während er angespannt horchte. Die Geräusche der Nacht drangen an sein Ohr: das Hecheln der Hunde, das Schnauben und Hufscharren der Stuten auf der Koppel hinter dem Rundgraben, das leise Wiehern eines trinkenden Fohlens und - weit draußen und nur ein einziges Mal - der Ruf einer Eule nach ihrem Jungen und ein kurzes schrilles Piepsen als Antwort. Das einzige von Menschen erzeugte Geräusch, das er hören konnte, war das Schnarchen seines Vaters, nur leicht gedämpft durch die Hauswand zwischen ihnen.
    Er hatte gerade beschlossen, im Kreis um die Gebäude herumzugehen und der Bahn des Mondes zu folgen, als er plötzlich einen Laut hörte, der nicht zu den üblichen Geräuschen der Nacht gehörte - das laute, gequälte Aufjaulen eines Hundes, der Schmerzen litt, gefolgt von dem beschwichtigenden Gemurmel von Stimmen, unter denen auch die seiner Mutter war. Das war es, worauf Bán gewartet hatte. Er rannte, so schnell er konnte, in die Richtung, aus der das Geräusch kam, während er darauf achtete, einen Bogen um den stinkenden Misthaufen zu machen und nicht in den Berg von Hundekot auf der Seite des Rundhauses zu treten oder über die scharfkantigen Steine zu stolpern, die in der Nähe des Getreidespeichers aus der Erde ragten. Keuchend und nach Luft schnappend kam er schließlich vor der Tür des Frauenhauses an, das am westlichen Rand der Einfriedung gegenüber dem Walltor stand. Dort blieb er stehen. Als er noch sehr klein gewesen war, hatte seine Mutter ihn immer mit hineingenommen, um ihn ins Moos zu legen, während sie sich mit den anderen Frauen unterhielt, und der sanfte Klang ihrer Stimme hatte ihn eingelullt. Dann war er zum Jungen herangewachsen, und die Besuche im Frauenhaus waren immer seltener geworden und hatten schließlich ganz aufgehört. Noch zwölf weitere Monate, und er würde noch nicht einmal mehr vor dem Eingang stehen dürfen. Jetzt jedoch stand er davor und hörte die Hündin ein zweites Mal aufjaulen; ein lauter, durchdringender Schmerzensschrei. Der scheckige Rüde, der ihm gefolgt war, lief unruhig vor dem Haus hin und her und winselte. Er war kein geduldiges Tier und hatte keine
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