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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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Burg zu bewegen. »Damit kann man keinen Kampf gewinnen!«
    »Die Mutter sagt, dass Buchstaben mehr Macht haben als Schwerter.« Utas Augen leuchteten beim Gedanken an die funkelnden Minuskeln des Psalmenbüchleins, aus dem die Mutter ihr manchmal vorlas.
    Mit einem kurzen Pfiff scheuchte Esiko eine Wäscherin beiseite. »Was die Mutter so sagt. Sie hat doch noch nie ein Schwert geführt. Kennt dessen Macht also gar nicht!« Erschrocken schlug Uta die Hände vor den Mund. »Wie kannst du so über unsere Mutter reden?«
    Anstatt einer Antwort kümmerte sich Esiko um die Versorgung der Pferde. »Stallbursche, hierher!« Trotz der regen Betriebsamkeit reichte seine Stimme mühelos bis zu den Stallungen hinüber. Im Hof herrschte ein aufgeregtes Durcheinander. Mägde hasteten mit riesigen Krügen auf das Küchenhaus zu. Knechte trugen Hocker und Tafeln in Richtung des Wohnturms. Zwischen ihnen erblickte Uta Hazecha, ihre jüngere Schwester, die eifrig einer mit Wasser gefüllten Kuhblase hinterherlief, und ihren kleinen Bruder Wigbert auf den Armen seiner Amme.
    Der junge Linhart bahnte sich etwas ungelenk seinen Weg zu den Geschwistern. Er war die linke Hand des Stallmeisters und eine unübersehbare Erscheinung auf dem Burgberg. Sein Körper war schon in die Höhe geschossen, als die mit ihm gleichaltrigen Knechte noch von den ersten Barthärchen geträumt hatten; zudem trug er sein Haupthaar ungewöhnlich lang.
    »Kümmere dich um die Tiere und vergiss das Abreiben nicht«, wies Esiko ihn an.
    Uta schenkte Linhart ein Lächeln. Sie wusste, dass er jedes Tier im Stall mit der gleichen Hingabe versorgte. Dann rutschte sie schwungvoll aus dem Sattel, erschrak jedoch, noch bevor sie festen Boden unter den Füßen spürte. »Oh, nein!« Ihre Finger glitten über einen Riss im Obergewand, der sich von ihrer Hüfte bis zum Knie hinabzog. »Ausgerechnet jetzt.«
    »Schwesterlein«, begann Esiko und schwang sich, sich der bewundernden Blicke der Umstehenden versichernd, vom Rücken seines Rosses. »Bist selbst im Damensattel zu stürmisch«, dabei warf er Linhart, der mit offenem Mund auf Utas Gewand starrte, einen drohenden Blick zu.
    Der Stallbursche wendete sich augenblicklich ab.
    »Zu stürmisch?« Uta blickte vom Riss ihres Kleides zu Esiko auf, der sie beinahe um zwei Köpfe überragte.
    »Ich muss jetzt zum Vater«, sagte er. »Er erwartet meine Unterstützung beim Empfang der Gäste.«
    »Warte!«, bat sie eindringlich und griff nach seinem Arm.
    »Sage ihm nichts von meiner Unachtsamkeit.« Uta blickte zur Tür des Wohnturmes, aus welcher der Vater jeden Moment treten konnte. »Ich wechsele schnell noch mein Gewand.« Uta schaute ihn bittend an.
    Esiko setzte einen strengen Blick auf. »Der Vater wird nicht akzeptieren, wenn du zu spät erscheinst!«
    Uta nickte und erklomm – von Esikos Mahnung getrieben – die Treppen des Wohnturms. Da sie nicht mehr die Zeit hatte, ihr Kammermädchen Erna zu Hilfe zu rufen, trat sie vor ihre Bettstatt und streifte sich rasch das eingerissene Obergewand ab. Dabei blieb ihr Blick an ihren Brüsten hängen, die sich seit dem vergangenen Winter zu wölben begonnen hatten und sich nun leicht gegen das Untergewand hindurch abdrückten. Der Veränderung ihres Körpers hatte sie jedoch erst Aufmerksamkeit geschenkt, nachdem ihr vor wenigen Wochen gleich nach dem Osterfest auch ein schwarzer Haarflaum unter den Armen und zwischen den Beinen gewachsen war.
    »Was ist das?« Uta schreckte zusammen. Ein roter walnussgroßer Fleck zeichnete sich in Höhe ihres Schoßes auf ihrem Unterkleid ab. Sie raffte den Stoff bis zur Taille, um nachzusehen, und bemerkte, dass die Innenseiten ihrer Oberschenkel mit einem Blutschleim überzogen waren. »Der Monatsfluss?« Utas Gesicht verdunkelte sich. Die Burgregeln ordneten an, dass sich unreine Frauen Tag und Nacht vom Rest der Burgbewohner getrennt halten mussten, damit sie ihre Blutspur nicht in der gesamten Burg hinterließen. Uta kniete nieder und faltete die Hände. »Lieber Herrgott im Himmel, lass das nicht den Monatsfluss sein!«
    Als die Doppelglocke zweimal läutete, erhob sie sich wieder, sprang ans Fenster und schob das Leder beiseite. Sie vernahm, dass der Stallmeister seinen Knechten Anweisung gab, im Hof Aufstellung zu nehmen. In der Ferne, weit hinter den Burgmauern, machte sie einen Tross von Berittenen aus, zog sich darauf hastig das befleckte Unterkleid über den Kopf und versteckte das blutige Gewand tief unten in der Gewandtruhe.
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