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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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ungewöhnlichen Ruhe während seiner Herrschaft und der vergleichsweise kurzen Regierungszeit von fünfzehn Jahren (1024 bis 1039) fand Konrad II . in der modernen Geschichtsforschung wenig Beachtung. Zusammen mit seiner Frau Gisela von Schwaben gelang es Konrad, das dreiteilige Reich (das ostfränkische, italienische und burgundische), unter der Herrschaft des deutschen Königs und Kaisers zusammengefasst, zu formen. Dabei hat bereits Konrads Amtsvorgänger Kaiser Heinrich II . mit den östlichen Nachbarn (Polen, Böhmen, Ungarn) in Kämpfen gelegen. Als Herzogtum war Polen dem Kaiser des deutsch-römischen Reiches unterstellt und tributpflichtig. Die Menschen östlich von Elbe und Oder kämpften seit der Jahrtausendwende für ihre Unabhängigkeit und einen eigenen König. Nach mehreren, wechselvollen Feldzügen gelang Konrad II . schließlich die Unterwerfung von König Mieszko; der Hoftag zur formalen Besiegelung der polnischen Vasallenschaft fand – wie im Roman dargestellt – im Jahre 1033 in Merseburg statt. Bezüglich des Verlaufs dieser Kämpfe, des gemeinsamen Vorgehens mit den Liutizen und der Verbrüderung mit Mieszkos Bruder Bezprym haben wir uns an historischen Fakten orientiert, wobei auch hier kleinere dramaturgische Kniffe notwendig waren. Im elften Jahrhundert vollzog sich Rechtsfindung außerhalb des Kirchenrechts selten durch die Anwendung von Gesetzen bzw. Rechtsnormen. Die lagen nämlich weder für alle benötigten Regelungsbereiche vor, noch waren sie schriftlich fixiert. Rechtsfindung vollzog sich durch den Konsens der Urteilenden darüber, was im Einzelfall bzw. entsprechend der althergebrachten, gültigen Lebensordnung als richtig empfunden wurde. Eine Anklage wurde demnach subjektiv entschieden. Gottesurteile waren als richterliches Mittel der Urteilsfindung an der Tagesordnung. In einer Wasserprobe, einem Reinigungseid oder einem Zweikampf zeigte sich Gottes Richterspruch, der in der Regel dann zur Anwendung kam, wenn das Gericht, zum Beispiel nach einer Zeugenbefragung, zu keiner eindeutigen Einschätzung gelangen konnte. Das Königsgericht war das höchste Gericht. Da der König jedoch nicht in der Lage war, das gesamte Reich mit seinem Gericht zu bedienen, delegierte er die Gerichtsbarkeit an weltliche (Markgrafen, Grafen etc.) sowie geistliche Herrscher (insbesondere Bischöfe). Insgesamt war es also eine herausfordernde Situation, vor allem für ein weibliches und damit rechtloses Opfer, in einer Welt ohne allgemeingültiges Gesetz und damit ohne eine einheitliche Auffassung von Recht und Unrecht eine Anklage überhaupt vorzubringen und dann auch noch Recht zugesprochen zu bekommen.
    Von der ersten Naumburger Kathedrale, die unsere Roman-Uta baute, sind heute nur noch Fundamente erhalten, um die herum der gotische Nachfolgebau errichtet wurde. Bauhütten mit schriftlich fixiertem Detailwissen und Ordnungen entstanden zunehmend erst im zwölften, dreizehnten Jahrhundert. Wir müssen daher für die Mehrheit der romanischen Baustellen von einer deutlich einfacheren und pragmatischeren Baustellenorganisation und Planung als beschrieben ausgehen. Sofern jedoch ein progressiver Werkmeister die Notwendigkeit zum Bauzeichnen erkannte – Zeichnungen sakraler Bauten auf Pergament sind bereits seit dem neunten Jahrhundert erhalten – und zudem eine wissbegierige Bauzeichnerin und ein verträumter Markgraf zur Stelle waren, könnte eine romanische Baustelle, wie in unserer Geschichte beschrieben, auch schon damals auf Basis einer vorausschauenden Detailplanung funktioniert haben und die erste Naumburger Kathedrale so oder zumindest ähnlich entstanden sein. Vielleicht sind die Kämpferherzen und der Plantilla-Schleier ja noch irgendwo im Naumburger Erdreich vergraben. Aber auch ohne Schaufel ist die Stadt der steinernen Wunder, wie Naumburg aufgrund des Westchores und der Stifterfiguren in der Kathedrale genannt wird, auf jeden Fall einen Besuch wert.
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