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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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sechzigjährigen Augen ließen sie ihre Umgebung nur noch durch einen milchig weißen Schleicher hindurch wahrnehmen.
    »Außerdem wünsche ich, dass die Gernroder Schreibstube vergrößert wird«, ergänzte Gisela und schaute vor den nächsten Worten zu Uta, auf deren Gesicht sich ein Lächeln abzeichnete. »Lasst Regale und Truhen aufstellen, in denen alle Schriften übersichtlich abgelegt werden können. Jede Eurer Sanctimonialen soll die Möglichkeit erhalten, Pergamente einzusehen und aus ihnen zu lernen.«
    Adelheid umkrallte ihr Lilienszepter und nickte verbissen.
    »Dafür danken wir Euch«, endete Gisela und schmunzelte, als sie sah, wie sich die Äbtissin daraufhin verstockt zurück an ihren Platz begab.
    »Dann fahren wir jetzt mit der Weihe fort«, verkündete Kaiser Konrad vom Thron aus und bedeutete Gisela, sich wieder neben ihn zu setzen.
    »Aber was ist nun mit dem Schleier, Kaiserliche Hoheit?«, fragte Hildeward und umfasste dabei den Ring an seinem kleinen Finger.
    Aribo von Mainz, der den Zweikampf ungerührt verfolgt hatte, richtete sein Pallium und erhob sich. »Ohne den heiligen Schleier der Plantilla können wir die Weihe dieses Gotteshauses nicht vollziehen, Hoheit! Lasst uns die Feierlichkeiten an dieser Stelle abbrechen.«
    »Kaiserliche Hoheit!«, zog da eine weibliche Stimme in der Nähe des Portals die Aufmerksamkeit auf sich.
    »Ich habe, wonach Ihr sucht, Kaiserliche Hoheit!«, rief Notburga, die sich nach Esikos Tod nun wenigstens das Wohlwollen des Kaiserpaares sichern wollte, und schritt erhobenen Hauptes auf den Ostchor zu. »Ein Dieb muss den Schleier entwendet und versteckt haben. Der Herrgott wies mir den Weg dorthin. Man könnte aber auch sagen, dass die Reliquie mich gefunden hat.«
    In den Fingern der Hildesheimerin erkannte Uta nun tatsächlich das wertvolle Überbleibsel, welches der Kathedrale einst zur Grundsteinlegung übergeben worden war.
    »Er wurde von jenem Vogel bewacht, der das Sinnbild des Aufstieges darstellt«, erklärte Notburga stolz und verbeugte sich tief vor dem Kaiserpaar. Es hatte eine Weile gedauert, bis Notburga das Rätsel gelöst und das Versteck des Schleiers im Burgsaal – unterhalb des Naumburger Wappenfreskos mit dem Adler – ausfindig gemacht hatte. Überheblich blickte sie zu Falk von Xanten, dessen Mundwinkel bei ihren Worten abrupt nach unten gesackt waren. Angewidert spie Aribo von Mainz in das Chorgestühl.
    »Das ist mein Schleier!«, rief Bischof Hildeward ungeachtet dessen panisch und lief auf Notburga zu.
    »Nehmt Eure Finger von mir!«, wies Notburga den Bischof zurecht, der nach dem Schleier griff.
    »Gebt ihn mir, er gehört zu mir!«, forderte Hildeward und versuchte weiterhin, den Schleier an sich zu bringen. »Ich habe dieses Feuer doch nicht umsonst gelegt!«
    »Kaiserliche Hoheit, Euer Schleier«, wich ihm Notburga aus und verneigte sich unbeeindruckt ein weiteres Mal vor dem Kaiserpaar.
    »Was sagtet Ihr da gerade, Exzellenz?« Uta war vor den Bischof getreten. »Von welchem Feuer sprecht Ihr?«
    Statt einer Antwort kniete Hildeward auf dem Boden nieder und begann mit weinerlicher Stimme Klageverse zu murmeln.
    »Das Feuer, das Meister Tassilo und die Schwester der Gräfin tötete!«, rief da Maurermeister Joachim zu der Runde hinüber, die starr vor Entsetzen auf den Naumburger Bischof blickte.
    Uta suchte Hermanns Blick, der sich gerade bekreuzigt hatte und nun fassungslos neben den hageren Geistlichen trat. »Bischof Hildeward!«, brachte er erschüttert heraus.
    »Ich will meinen Schleier zurück. Er gehört zu mir«, jammerte Hildeward weiter.
    »Also hattet Ihr, Markgraf, den Kienspan fest genug in die Halterung gesteckt!«, schlussfolgerte Uta.
    »Ich will ihn zurück!«, wiederholte Bischof Hildeward, doch Hermann fasste ihn entschlossen am Arm. »Sprecht die Wahrheit, oder der Schleier wird Euch diesen Ungehorsam nie verzeihen!«
    »Exzellenz Hildeward, der Markgraf«, Erzbischof Humfried korrigierte sich, »Hermann von Naumburg hat recht. Ihr macht es nur noch schlimmer, wenn Ihr schweigt!«
    »Gebt es zu!«, rief einer der Kämpfer aus dem Langhaus.
    »Ihr seid ein Dieb!«, setzte ein Zweiter enttäuscht hinzu.
    »Ich war es«, winselte Hildeward und blickte hilfesuchend zu Erzbischof Aribo, der ihn jedoch nur mit einem vernichtenden Blick strafte.
    »Ihr wagtet es, die Fertigstellung der kaiserlichen Kathedrale zu sabotieren!«, sagte der Kaiser wütend und erhob sich.
    »Ich tat es für den heiligen Schleier. Ich
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