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Die Herrin der Kathedrale

Die Herrin der Kathedrale

Titel: Die Herrin der Kathedrale
Autoren: Claudia Beinert , Nadja
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Heiligkeit des Schleiers auf die Kathedrale überging.
    »Der Schleier der Plantilla half uns, unser Land im Osten zurückzuerobern«, sprach Erzbischof Humfried, als sie bei der Segnung der Wände im Langhaus angekommen waren. »In nur zehn Jahren wurde die Kathedrale fertiggebaut – Gottes Zeichen an Euch, das schneller zu Stein wurde als je ein anderes Kirchenhaus dieser Größe!«
    Uta öffnete die Augen und sah, dass Ekkehard zu ihrer Rechten den Blick starr auf den Kaiser gerichtet hielt. Hermann, der zu ihrer Linken stand, schaute ihr dagegen direkt ins Gesicht. »Es ist so schön, dass du gekommen bist«, flüsterte Uta ihm zu und spürte das Verlangen, ihn zu berühren.
    »Ich konnte mir die Weihe unserer Kathedrale doch nicht entgehen lassen«, gab er mit gesenkter Stimme zurück. Er deutete mit dem Kinn auf Erzbischof Humfried, der den Schleier nun unter reichlichen Segenssprüchen wieder in den Schrein vor dem Altar hinabließ.
    Es ist vollbracht!, dachte Uta. Die neue Bischofskirche hatte ihre erste gottesdienstliche Nutzung nach Fertigstellung aller Bauabschnitte erfahren. Glücklich blickte sie zur Kerze auf dem Altar, deren Licht noch immer brannte.
    »Wir sprechen nun ein Gebet für unsere neue Bischofskirche, die wir hiermit zum Leben erwecken«, presste Aribo von Mainz zwischen den Zähnen hervor.
    Die Anwesenden schauten fasziniert auf die Mauern, die sie umgaben, und sprachen das Gebet. Als dessen letzter Ton verklungen war, trat Uta auf ein Nicken des Kaisers vor. In der Mitte des Ostchores kam sie in ehrfürchtiger Stille zum Stehen.
    »Wenn trockene Zeiten weigerten etwa den Segen des Taus«, begann sie mit ruhiger Stimme aus dem Hortulus vorzutragen, mit dem ihr Leben fern der elterlichen Burg vor zwanzig Jahren begonnen hatte, »dann fürchtete ich, die zarten Wurzelfasern könnten vor Durst vertrocknen. Die Liebe zu meinen Pflanzen trieb mich an, mit viel Eifer und Mühe reines Wasser herbeizutragen, und mit eigenen Händen goss ich es tropfenweise an.« 30 Deutlich hallten ihre Worte durch das Gotteshaus. »Auch wir haben den Bau unserer Kathedrale auf trockenem Boden begonnen. Einer Pflanze gleich haben wir sie mit jedem Jahr ein Stück wachsen lassen.« Uta hielt einen Moment inne, ließ ihren Blick über die erwartungsvollen Gesichter vor ihr gleiten und fuhr dann fort. »Und es dauerte nicht lange, da bekleidete sich die gesamte Fläche mit zarten Keimen. Und mag auch ein Teil unter einem hohen Dach trocken stehen und einstauben, und mag ein anderer Teil in dauerndem Schatten liegen und die Sonne entbehren, so hat doch der Garten nichts zuvor Anvertrautes ohne Aussicht auf Wachstum unfruchtbar im Boden verschlossen. Vielmehr hat er die Pflänzchen neu belebt, voll grünender Kraft wiederhergestellt und die Aussaat mit zahlreichen Früchten belohnt.« 31
    Uta drehte sich zum Kaiserpaar und deutete vom Dach auf den Boden der Kathedrale. »So haben wir es mit dem Schutz des heiligen Petrus und des heiligen Paulus geschafft, diesen einst trockenen Boden zu bewässern und eine Pflanze zu ziehen, die nunmehr in den Status einer Bischofskirche gehoben wurde. Unsere Kathedrale hat uns neben dem Frieden an der Ostgrenze einen weiteren Frieden, einen von ganz besonderer Art, gebracht.« Uta lächelte nun zu Wipo hinüber, der ihr darauf angetan zunickte. »Es ist der Frieden der Seele, der uns – wie ich einst gelehrt wurde – die Aufnahme in den Staat Gottes ermöglicht. Ein Friede, für den es Gottes Lenkung bedarf, die wir während des Baus in vielfältiger Hinsicht erfahren durften.« Uta hielt erneut inne. Nicht nur durch die Lenkung des Herrn, sondern auch dank der Hilfe ihr zugetaner Menschen – ihr Blick streifte erneut Kaplan Wipo und das Kaiserpaar, dann Erna, Arnold, Katrina und zuletzt Hermann – hatte sie ihren Frieden gefunden. Sie schaute an sich hinab, öffnete leicht die Arme und genoss die Wärme, die durch jede Faser ihres Körpers floss. »Ich wünsche Euch allen«, fügte sie nach diesem Moment der Besinnung hinzu, »dass auch Eure Seelen diesen Frieden finden mögen.«
    Nach ihren Worten und mit einsetzendem Glockengeläut brandete befreiender Jubel auf, und der Kaiser befahl seinen Wachen, die Weihebesucher der ersten Reihen nicht davon abzuhalten, sich dem Ostchor bis an die Treppen zu nähern.
    »Ein Hoch auf die Herrin der Kathedrale!«, stimmte da eine Gruppe von Arbeitern an, und Uta lächelte verlegen. Sogleich schlossen sich Zimmerermeister Jan und Meister
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