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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
Autoren: Oliver P�tzsch
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ganz verziehen, auch wenn Simon schon ein Dutzend Mal geschworen hatte, dass nichts geschehen war. Doch der Tag heute war zu schön, um ihn mit Streit zu verbringen. Gemeinsam blickten die beiden in die Äste der Weiden, die im sanften Wind über ihren Köpfen hin und her schaukelten. Lange schwiegen sie und hörten dem Rauschen zu. Nach einer Weile ergriff Magdalena das Wort.
    »Mein Vater wird wohl für eine Weile fortbleiben.«
    Der Medicus nickte und blickte zwei Enten nach, die sich flügelschlagend vom Wasser erhoben. Magdalena hatte ihm bereits von Kuisls Reise zu seiner kranken Schwester erzählt. »Was hat eigentlich der Lechner dazu gesagt?«,fragte er schließlich. »Ich mein, als Gerichtsschreiber hätte er deinem Vater doch einfach verbieten können, die Stadt zu verlassen. Gerade jetzt im Sommer, wo der Dreck zum Himmel stinkt.«
    Magdalena lachte. »Was hätt er denn machen sollen? Der Vater ist einfach gegangen. Der Lechner hat geflucht und geschworen, dass er ihn aufhängen lässt, wenn er zurückkommt. Erst dann ist ihm aufgefallen, dass mein Vater sich ja schlecht selber aufhängen kann.« Sie seufzte. »Eine saftige Geldstrafe wird’s vermutlich hageln. Und bis er zurückkommt, müssen die Mutter und ich eben doppelt so viel schuften.« Plötzlich bekamen ihre Augen etwas Träumendes.
    »Wie weit ist dieses Regensburg eigentlich weg?«, fragte sie.
    »Sehr weit.« Simon grinste und fuhr mit seiner Hand spielerisch um ihren Bauchnabel. Noch immer war Magdalena nackt, auf ihrer vom täglichen Kräutersammeln im Freien gebräunten Haut funkelten einzelne Wassertropfen in der Sonne.
    »Weit genug jedenfalls, dass er uns nicht mit seinen Strafpredigten quälen kann«, sagte der Medicus schließlich und gähnte ausgiebig.
    Magdalena fuhr hoch. »Wenn, dann ist es doch dein alter Herr, der ständig gegen uns hetzt. Außerdem ist der Anlass seiner Reise ein ernster. Also hör auf, so blöd zu grinsen.«
    Die Henkerstochter dachte an den Brief aus Regensburg, der ihren Vater so betrübt hatte. Sie hatte zwar gewusst, dass ihr Vater eine jüngere Schwester in Regensburg hatte, doch ihr war nicht klar gewesen, dass die beiden sich offenbar immer noch so nahe standen. Gerade zwei Jahre alt war Magdalena gewesen, als die Tante vor dergroßen Pest, aber auch vor den täglichen Anfeindungen und Sticheleien im Ort mit einem Bader nach Regensburg geflohen war. Diesen Mut hatte Magdalena immer an ihr bewundert.
    Schweigend warf sie Kiesel ins Wasser, die einige Male aufschlugen, bevor sie schließlich von den Fluten verschluckt wurden.
    »Wer allerdings in den nächsten schwülen Wochen den Mist wegräumen soll, ist mir schleierhaft«, sagte sie mehr zu sich selbst als zu Simon. »Wenn der Rat meint, ich mach das, hat er sich gehörig getäuscht. Lieber zieh ich den Sommer über in ein Erdloch.«
    Simon klatschte in die Hände. »Ein grandioser Einfall! Oder wir bleiben einfach hier in der Bucht!« Er fing an, ihr Gesicht zu küssen. Magdalena wehrte sich, wenn auch nur zaghaft.
    »Simon, lass das. Wenn uns einer sieht …«
    »Wer soll uns schon sehen?« Er fuhr durch ihr schwarzes nasses Haar. »Die Weiden werden schon nicht petzen.«
    Magdalena lachte. Diese wenigen Stunden unten am Lech oder in den Scheunen der Umgebung waren alles, was sie von ihrer Liebe hatten. Immer wieder träumten sie von einer Heirat, doch die strengen Statuten der Stadt ließen das nicht zu. Seit Jahren führten sie nun eine Beziehung, die mehr einem verzweifelten Versteckspiel glich. Als Tochter eines Henkers war es Magdalena eigentlich nicht gestattet, sich mit den höheren Ständen einzulassen. Scharfrichter waren ehrlos, ebenso wie Totengräber, Bader, Barbiere und Gaukler. Eine Heirat mit einem Medicus kam für Magdalena demnach nicht in Frage. Das hielt Simon aber nicht davon ab, sich mit ihr in den Auen und den Scheunen des Umlands zu treffen. Im Frühjahr vor zweiJahren hatten sie sogar eine gemeinsame Wallfahrt nach Altötting unternommen. Es war im Grunde die einzige Zeit, in der sie wirklich für sich gewesen waren. Auf den Märkten und in den Wirtsstuben von Schongau war die Affäre zwischen dem Medicus und der Henkerstochter mittlerweile ein beliebtes Gesprächsthema. Zudem drängte Simons Vater, der alte Bonifaz Fronwieser, seinen Sohn immer eindringlicher, endlich eine Bürgerstochter zu ehelichen. Für Simons Weiterkommen als Arzt war das eigentlich unvermeidlich. Doch der Sohn wich dem Alten immer wieder aus – und
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