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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
Autoren: Oliver P�tzsch
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Magdalena Simon zu, ohne dass es die anderen hören konnten. »Bibergeil vielleicht, oder Raute.« Plötzlich runzelte sie die Stirn. »Warte mal. Sie wird doch nicht …«
    Vorsichtig näherte Magdalena sich Resl Kirchlechner und strich ihr über die mit Pusteln bedeckten Arme. Als die Magd erneut um sich schlug, sprang die Henkerstochter schnell zurück.
    »Ich glaub, ich weiß jetzt, was es ist«, murmelte sie. »Es muss das Antoniusfeuer sein. Vermutlich hat die Resl Mutterkorn gegessen, um das Kind wegzumachen.«
    Simon nickte. »Ich weiß zwar nicht viel darüber, aber ichglaube, du hast recht. Die Pusteln, die schwarzen Fingerkuppen und dann diese Fieberträume. Alles deutet darauf hin. Mein Gott, das arme Mädchen …«
    Magdalena drückte seine Hand und murmelte einen leisen Fluch. Als Hebamme war ihr bekannt, dass Mutterkorn ein Pilz war, der auf Roggen und anderen Getreidearten wuchs. Tatsächlich wurde er gelegentlich zur Abtreibung verwendet. Allerdings durfte das Mutterkorn nur in geringen Dosen eingesetzt werden. Ansonsten kam es zu Krämpfen und grauenerregenden Tagträumen, in denen die Vergifteten oft Hexen, Teufel und Dämonen sahen. Finger und Zehen wurden schwarz und fielen schließlich ab. Weil die Befallenen das Gefühl hatten, innerlich zu verbrennen, wurde die Krankheit auch Antoniusfeuer genannt.
    Simon wandte sich an Michael Berchtholdt. »Dieses Mädchen ist nicht vom Teufel besessen«, zischte er und deutete auf den angeschwollenen Leib der jungen Magd. »Die Resl hat Mutterkorn bekommen. Und ich frage mich, wer es ihr gegeben hat.«
    »Ich … ich weiß nicht, von was Ihr sprecht«, stotterte der Bäckermeister. »Mag sein, dass die Resl sich mit irgendeinem Burschen eingelassen hat, und …«
    »Mit dem Satan!«, fuhr seine Frau dazwischen. »Mit dem Satan hat sie sich eingelassen!«
    »Schmarren!«, flüsterte Magdalena so leise, dass es Berchtholdt nicht hören konnte. Sie tupfte das Gesicht der schreienden Magd mit einem feuchten Tuch ab und redete ihr gut zu. Doch plötzlich konnte sie nicht mehr an sich halten. Ihre Augen funkelten, als sie sich wütend zum Bäckermeister umwandte.
    »Von wegen Satan«, zischte sie. »Jeder in der Stadt weiß doch, dass Ihr der Resl hinterhergestiegen seid! Jeder!«
    »Waswillst du damit sagen?«, fragte Michael Berchtholdt leise. Sein Gesicht erschien plötzlich noch spitzer als sonst. »Etwa, dass ich …«
    »Ihr selbst habt Eure Magd geschwängert!«, brach es aus Magdalena heraus. »Und damit das nicht ans Licht kommt, habt Ihr ihr das Mutterkorn gegeben. So war’s doch, oder?«
    Berchtholdts Gesicht lief puterrot an. »Wie kannst du es wagen, so von mir zu sprechen, du kleine Henkersdirn!«, keuchte er schließlich. »Du vergisst wohl, dass ich im Rat sitze. Ein Wort von mir, und ihr Kuisls könnt eure Sachen packen und euch schleichen. Nur ein Wort von mir!«
    »Ha! Und wer gibt Eurer Frau dann ihren Schlaftrunk?« Magdalena war aufgesprungen und deutete auf die betende Maria Berchtholdt. »Wie oft ist sie schon zu meinem Vater gekommen für ein Tränklein, damit ihr Mann zu Hause endlich Ruhe gibt und über seinem Wein einnickt!«
    Der Bäcker glotzte ungläubig seine Frau an, die betreten und mit gefalteten Händen zu Boden blickte. »Maria, stimmt das?
    »Ruhe!«, rief Simon. »Es ist unwürdig zu streiten. Dieses Mädchen liegt vermutlich im Sterben! Wenn wir noch irgendetwas unternehmen wollen, müssen wir wenigstens wissen, wie viel Mutterkorn es war und wer es ihr gegeben hat.« Verzweifelt sah er Michael Berchtholdt an. »Um Gottes willen, redet endlich! Habt Ihr der Resl das Mittel gegeben?«
    Der Bäckermeister schwieg trotzig, als sich plötzlich seine Frau mit leiser Stimme meldete.
    »Wahr ist’s«, flüsterte sie. »Alles andere wäre Lüge. Gott helfe dir, Michael! Dir und uns allen!«
    Der Bäcker rang nach Worten, doch schließlich gab er nach. Seufzend sank er in sich zusammen und fuhr sich durchdas dünne, mit Mehlstaub verfilzte Haar. »Ja doch, ich … ich hab’s ihr gegeben«, stammelte er. »Ich … ich hab ihr gesagt, sie soll gleich alles auf einmal nehmen. Damit’s auch sicher wirkt.«
    »Alles auf einmal?« Magdalena sah ihn entsetzt an. »Und wie viel war das?«
    Berchtholdt zuckte mit den Schultern. »Ein kleines Säcklein, so groß wie meine Faust etwa.«
    Stöhnend fasste sich Simon an die Stirn. »Dann gibt es keine Rettung mehr. Wir können nur noch ihre Schmerzen lindern.« Mit geballten Fäusten
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