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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler
Autoren: Oliver P�tzsch
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Dreck, die in der heißen Sonne vor sich hin dampften. Ratten mit langen, glatten Schwänzen huschten darüber hinweg und glotzten die Vorübergehenden mit bösen Knopfaugen an. Wenigstensder Nachmittag sollte nun Magdalena allein gehören.
    Schon nach wenigen Minuten war die Henkerstochter am Ufer des Lechs angekommen. Sie wandte sich nach links, abseits der Floßlände, wo um diese Zeit bereits ein halbes Dutzend Flöße vertäut lagen. Magdalena hörte das Rufen und Lachen der Rottflößer, die Fässer, Kisten und Ballen entluden und zu dem neu gebauten Zimmerstadel an der Mole schleppten. Sie bog vom Treidelpfad ab und schlug sich durch das grüne Unterholz, das ihr jetzt im Hochsommer bis zu den Schultern reichte. Der Untergrund war sumpfig und glitschig, ihre nackten Füße sanken bei jedem Schritt mit einem Schmatzen ein.
    Endlich hatte Magdalena ihre Lieblingsstelle erreicht, eine kleine flache Bucht, die durch die umstehenden Weiden von außen nicht einsehbar war. Die Henkerstochter kletterte über eine gewaltige abgestorbene Wurzel hinunter und entledigte sich ihrer schmutzigen Kleider. Ausgiebig wusch sie Rock, Schürze und Mieder, indem sie die Gewänder über die scharfen, nassen Kiesel schabte, und legte sie anschließend zum Trocknen auf einen von der Sonne aufgeheizten Felsen.
    Als Magdalena ins Wasser stieg, spürte sie die sanfte Strömung des Flusses um ihre Knöchel spülen, sie sank ein in Matsch und Morast. Noch ein paar Schritte weiter, dann ließ sie sich in den Fluss fallen. Hier in der vor Urzeiten ausgewaschenen Bucht war die Strömung nicht ganz so stark. Die Henkerstochter schwamm hinaus und achtete darauf, nicht zu nahe an die Strudel in der Mitte des Lechs zu geraten. Das Wasser wusch den Dreck von ihrer Haut und aus ihren Haaren. Schon nach wenigen Minuten fühlte sie sich wieder frisch und ausgeruht, die stinkende Stadt war weit, weit entfernt.
    Alssie zum Ufer zurückschwamm, merkte sie, dass ihre Kleider verschwunden waren.
    Magdalena sah sich ratlos um. Dort, auf dem Felsen, hatte sie die nassen Sachen abgelegt. Nun war an dieser Stelle nur noch ein feuchter Fleck zu sehen, der langsam verblasste.
    War ihr etwa jemand gefolgt?
    Sie suchte das Ufer ab, konnte die Kleider aber nirgends finden. Magdalena versuchte sich zu beruhigen. Es mussten Kinder gewesen sein, die ihr einen Streich spielten, nichts weiter. Sie setzte sich auf die Wurzel und ließ sich die braune Haut von der Sonne trocknen. Die Augen geschlossen, den Kopf in den Nacken gelegt, wartete sie darauf, dass die Lausbuben sich durch ein Kichern verrieten.
    Plötzlich war hinter ihr ein Rascheln zu hören.
    Bevor Magdalena aufspringen konnte, hatte ihr jemand einen sehnigen, haarigen Arm um den Hals gelegt. Eine Hand verdeckte ihren Mund. Sie wollte schreien, brachte aber keinen Laut hervor.
    »Keinen Mucks! Sonst küss ich dich, bis dein Hals voller roter Flecken ist und dein Vater dir den Hintern versohlt.«
    Hinter der vorgehaltenen Hand musste Magdalena losprusten.
    »Simon! Mein Gott, was hast du mir für einen Schrecken eingejagt! Ich dachte, Räuber und Halsabschneider …«
    Simon küsste sie sanft in die Halsbeuge. »Wer weiß, vielleicht bin ich ja einer …« Verschwörerisch zwinkerte er ihr zu.
    »Du bist ein windiger, zwergenwüchsiger Quacksalber, mehr nicht. Eher dreh ich dir den Hals um, als dass du mich auch nur kratzt. Weiß der Teufel, warum ich dich so lieb hab.«
    Sieentwand sich seinem Griff und warf sich auf ihn. Eng umschlungen rollten sie über den nassen Kies der Bucht. Es dauerte nicht lange, und sie hatte Simon mit ihren Oberschenkeln am Boden festgeklemmt. Der Medicus war schmal und eher sehnig als muskulös. Mit seinen gerade mal fünf Fuß gehörte er zu den kleinsten Männern, die Magdalena kannte. Sein Gesicht war fein geschnitten, mit hellen, wachen Augen darin, die immer spöttisch zu funkeln schienen, darunter prangte ein fein gestutzter schwarzer Knebelbart. Das leicht geölte dunkle Haar trug er der neuesten Mode entsprechend schulterlang. Auch sonst achtete Simon auf ein gepflegtes Äußeres, das gerade arg in Mitleidenschaft geriet.
    »Ich … ich ergebe mich«, ächzte er.
    »Nichts da, zuerst versprichst du mir, dass es keine andere gibt!«
    Simon schüttelte mühsam den Kopf. »Keine … andere.«
    Magdalena verpasste ihm eine Kopfnuss und rollte sich neben ihn. Die Affäre mit der rothaarigen Händlerin vor über zwei Jahren hatte die Henkerstochter ihm noch immer nicht
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