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Die heimliche Päpstin

Die heimliche Päpstin

Titel: Die heimliche Päpstin
Autoren: Frederik Berger
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Mutter in den Arm.
    »Mama!« Welche Sehnsucht, wieviel unterdrückte Sohnesliebe steckte in seinem Ausruf! »Kannst du mir verzeihen, was ich dir angetan habe?«
    Sie schluchzte nur einmal kurz auf und barg ihr Gesicht an seiner Brust. »Du mußt mir verzeihen«, flüsterte sie.
    Es dauerte lange, bis die beiden ihre Umarmung lösen konnten. Voller Glück darüber, daß sie endlich nach soviel Leid ihren Frieden geschlossen hatten, stand ich neben ihnen, bis auch ich in die Arme genommen wurde.
    Am nächsten Tag brachen wir in aller Frühe mit Anastasius auf, der uns seine Begleitung angeboten hatte. Marozia und ich hatten in der Zwischenzeit kaum miteinander gesprochen, und auch jetzt blieben wir in unsere Gedanken versunken. Als wir die Porta Flaminia durchritten, spürte ich nicht einmal Erleichterung. Kurz darauf warf ich einen letzten Blick auf die Stadt, die sich bereits hinter ihrer Mauer verbarg.
    Marozia hatte ebenfalls ihr Pferd angehalten und schaute zurück.
    »Ich hätte hinabsteigen sollen in die Unterwelt«, sagte sie unvermittelt. »Dann wäre ich mit meiner Mutter vereint gewesen.«
    Dieser Gedanke schien sie seit Tagen nicht mehr loszulassen.
    »Mit deiner Mutter, die du nie geliebt hast?« entgegnete ich.
    Sie schaute nachdenklich auf ihre Hände, die die Zügel hielten. »Vielleicht hätte ich mich mit ihr im Tod versöhnen können.«
    »Noch hast du Zeit, dich mit ihr im Leben zu versöhnen.«
    »Glaubst du wirklich?«
    Sie wandte den Blick in die Ferne, und wir ritten weiter.
    Ich fragte mich, ob wir beide auf der Insel unsere Ruhe finden könnten. Lathe biosas , hatte Epikur seinen Schülern empfohlen, lebe im Verborgenen, mische dich nicht in die politischen Händel ein, denn allzu leicht kommst du in ihnen um, und außerdem kannst du nur im Verborgenen die Seelenruhe finden, nach der du dich sehnst.
    War nicht die Insel mitten im See ein verborgener Ort?
    Anastasius hatte uns erzählt, die Gotenkönigin Amalaswintha sei einst auf die Nachbarinsel Martana verbannt und später dort ermordet worden. Dachte ich daran, nahm der Rat des Philosophen einen zweideutigen Klang an. Lebe im Verborgenen hieß dann: Stirb im Verborgenen! Verschwinde unbemerkt aus dem Leben! Finde dich damit ab, daß du vergessen wirst!
    Und wenn wir auf der Insel doch Theodora begegnen würden?
    Ich erzählte Marozia nichts von meinen Gedanken, zumal sich in mir das Gefühl der Befreiung verstärkte. Es war wie eine Traumbotschaft, die mir sagte: Harre aus, dann wirst du belohnt. Und siehe, es war gut.
    Die erste Nacht verbrachten wir in einer Herberge am Rande des Lago di Bracciano . Als ich am frühen Morgen aufwachte, waren Marozias Augen noch geschlossen. Doch als ich sie wecken wollte, sprach sie, als hätte sie auf meine Stimme gewartet: »Ich habe soeben von Alexandros geträumt. Diesmal unterschied sich der Traum von meinen früheren Träumen: Wir saßen unter einem uralten Ölbaum im Licht der untergehenden Sonne und schauten über das ferne Meer.«
    Was sollte ich darauf antworten? Natürlich hatte auch ich während der letzten Tage und Wochen häufig an meinen Sohn gedacht. Der Schmerz über seinen Verlust wühlte dumpf in mir, und doch war ich überzeugt, das Richtige getan zu haben, als ich mich entschloß, bei Marozia zu bleiben. Je mehr ich davon überzeugt war, desto blasser wurde der Sohn des Sergius, löste sich im Nebel der tausend sehnsuchtsgetränkten Erinnerungsbilder auf, desto lebendiger, strahlenumflossener, erlösender trat mein Sohn vor mich.
    Am Abend des dritten Tages erreichten wir Capodimonte, von wo aus wir zur Insel gebracht werden sollten. Wir schliefen in einem kleinen Frauenkloster, dem das Inselkloster angegliedert war. Es wurde eine Nacht, die von fremden Geräuschen durchdrungen war, von flüsternden Stimmen und fernen Gesängen, in die ich schließlich stumm, nur mit bewegten Lippen einfiel. Es wurde eine Nacht, in der ich meine Eltern wiederfand. Der Traum ließ kein Erstaunen zu. Sie waren einfach da, so wie sie während meiner Kindheit da waren, und uns umringten meine Enkelkinder. Euthymides saß mit mir im Schatten. Uns gegenüber, auf einer Bank, lehnten Alexandros und Marozia wie Philemon und Baucis aneinander.
    »Wir haben uns immer im Verborgenen geliebt«, sagte Marozia, und Alexandros fügte an: »Es war eine Liebe im ewigen Lächeln deiner ruhigen Seele.«
    Der Schatten eines Vogels ließ sich im Granatapfelbaum unseres Gartens nieder. Ich merkte, daß ich nicht mehr
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