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Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers
Autoren: Karla Weigand
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Gericht tagte öffentlich. Der Türhüter hatte bereits Anstalten gemacht, sie brüsk zurückzuweisen, aber durch einen Blick ihrer strahlend blaugrünen Augen war es ihr gelungen, ihn umzustimmen.
    Sie musste sich unbedingt ein genaueres Bild von ihrem zukünftigen Patienten machen, an dessen Hof sie in den nächsten Wochen, nach der Ernte genau genommen, gehen wollte. So hatte sie es sich jedenfalls vorgenommen – aber ein Gespräch mit ihrem Vater war immer noch nicht zustande gekommen.
    Griseldis’ Herz klopfte gewaltig, als sie ziemlich weit hinten gerade noch ein freies Eckchen fand, in dem sie Stellung beziehen konnte.
    Heinrich betrat grimmigen Blicks den Audienzsaal in der alten Residenz von Regensburg, der hin und wieder als Gerichtssaal diente, wenn Edelleute sich zu verantworten hatten.
    Die Zuschauer waren in diesem Falle hauptsächlich herausgeputzte Hofleute, aber auch andere Adlige und Bürgerliche sowie eine Anzahl einfacher Bauern aus der näheren Umgebung. Sie alle würden in der Stadt und im Umland für die Verbreitung seines Urteils sorgen – ein Umstand, der dem Herzog nur recht sein konnte.
    Kaum hatte er auf seinem mit Schnitzereien und Intarsien reich versehenen Richterstuhl in der Mitte der Hallenstirnseite Platz genommen, drückten auf seinen Wink hin zwei Gerichtsdiener den Beklagten, der bereits auf dem kalten Marmorboden kniete, mit dem Kopf nach unten, so dass er mit seiner Nase beinahe auf den Fliesen aufschlug.
    Der Angeklagte versuchte, sich zu wehren und aus dem Griff der herzoglichen Knechte zu befreien, was ihm mit gefesselten Händen aber nicht gelang.
    »Herr Herzog«, rief der Hohensteiner wütend, »was soll das? Ihr müsst den unverschämten Kerlen verbieten, mich so herablassend zu behandeln. Ich bin kein Bauer, mit dem man nach Belieben umspringen kann.«
    Diese Bemerkung erregte den Unwillen in den Reihen der bäuerlichen Zuschauer und rief leisen Protest hervor.
    »Außerdem verbiete ich mir die Fesselung meiner Hände.«
    »Ach, ja? Ihr, Freiherr Immo von Hohenstein, beschwert Euch über die Eurer Meinung nach ungebührliche Behandlung?«, fragte Heinrich lauernd. Auf ein weiteres Zeichen vom Herzog hatte einer der Gerichtsdiener dem Beschuldigten noch zusätzlich seinen Fuß in den Nacken gesetzt, um ihn zu bändigen, da der dem Range nach zwar nicht ganz unbedeutende, seiner Persönlichkeit nach aber nur drittklassige Edelmann sich weiterhin heftig sträubte.
    »Ihr werdet demütig knien und Euch mit gebundenen Händen und reumütig gesenktem Haupt die Anklage anhören, welche sich mit Euren Vergehen befasst, und nicht dazwischenreden, sonst lasse ich Euch zusätzlich das Maul stopfen«, grollte Heinrich. »Und seid froh, dass Ihr kein Bauer seid, sonst hätten Euch die Dörfler für Eure Schandtaten vermutlich längst entmannt und anschließend aufgeknüpft.«
    Wie Griseldis bemerkte, machte sich bei den Worten Herrn Heinrichs unter den vornehmen Zuschauern leichte Unruhe bemerkbar. Kein Zweifel, der Richter schien heute sehr ungnädiger Stimmung zu sein. Sogleich fuhr der Herzog fort:
    »So aber genießt Ihr als Edler die Gunst, Euch vor meinem Gericht verantworten zu dürfen. Rechnet aber nicht mit meiner Milde, sondern macht Euch auf ein hartes Urteil gefasst, Lehnsmann.«
    Immo von Hohenstein schien es allmählich zu dämmern, woher der Wind wehte. So hielt er wohlweislich seinen Mund, um den Richter nicht noch mehr gegen sich aufzubringen.
    Griseldis reckte ihren Hals, um sich ja nichts von dem spannenden Geschehen entgehen zu lassen. Es interessierte sie brennend, wie der Herzog in so einem Falle Recht sprechen würde.
    Wie alle Anwesenden wusste auch sie, wie leichtfertig dieser Edelmann sich über Sitte und Moral und nicht zuletzt über die Gebote der Kirche hinwegsetzte, wenn es um die Befriedigung seiner Begierden ging.
    Mit zusammengekniffenen Lippen kauerte der Beklagte auf den rot-weißen Steinplatten mitten im Saal und hörte sich an, was ein älterer Benediktinermönch mit deutlicher Missbilligung in der Stimme von einem Pergament verlas; es war Vater Berchtold.
    Von der Schändung dreier elf-, zehn-und neunjähriger Mädchen war da die Rede und von Übergriffen auf eine Reihe von verheirateten Bauersfrauen. Unwillkürlich musste Griseldis dabei an ihre Mutter Dietlinde denken…
    Zu den Zwischenfällen war es jedes Mal gekommen, wenn der Baron in einem seiner Dörfer aufgetaucht war und sich im Haus eines Hörigen oder der Hütte eines Eigenen
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