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Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben
Autoren: Paul Gallico
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stehen und blickte zu dem Fluggast hinunter, der über einen handgeschriebenen Brief nachsann, denn sie fragte sich, wer er sein mochte. Sie fand ihn «prima». Sie wußte, er war hochgewachsen, denn er hatte sich bücken müssen, um nicht mit dem Kopf gegen die Decke zu stoßen, als er sich auf seinem Sitz niederließ. Besonders gefiel ihr sein Mund, der sinnlich und dennoch humorvoll war, während sein Kinn äußerst energisch und männlich wirkte. Sie wäre am liebsten mit den Fingern durch seine hellbraune Haarmähne gefahren.
    Ihre Kollegin, die ein anderes Tablett trug, stieß sie in den Rücken und sagte: «Mach schon, Elsa.» Die Stewardeß seufzte und ging weiter. Warum waren es immer nur die fetten, ekelhaften Männer, die mit einem flirteten?
    Ohne zu ahnen, welche Sehnsucht er erweckt hatte, ganz gefesselt von den Geheimnissen in und zwischen den Zeilen des Briefes, überdachte Hero mit seinem geübten analytischen Verstand, der ein wahrer Aktenschrank voll ungewöhnlicher Informationen und Fähigkeiten war, was sich hinter diesem Angstruf verbergen mochte. Der Beruf Alexander Heros (der Name war eine Zusammenziehung aus dem Hereux der französischen Hugenotten) war einmalig. Er arbeitete nicht nur als Chefrechercheur für die britische Gesellschaft zur Erforschung des Übersinnlichen, sondern hatte sich auch eine Praxis als selbständiger Privatdetektiv des Okkulten oder Geisterbändiger eingerichtet, eine Tätigkeit, die eine gründliche Kenntnis in normaler und anomaler Psychologie, Physik, Chemie, Biologie, Fotografie, Magie, Taschenspielerkünsten ebenso wie Laboratoriumsarbeit erforderte. Als Sucher nach der Wahrheit in den dunklen und oft gefährlichen Regionen des Parapsychologischen mußte er unbefangen, ein unparteiischer Richter der menschlichen Natur, frei von Aberglauben und unbeeinflußt von Bigotterie jeglicher Art, eingeschlossen die wissenschaftliche, sein. Er war ebenso begierig auf einen echten Beweis eines Lebens im Jenseits, wie er darauf erpicht war, den Scharlatanen des Spiritismus, die sich das Unglück derer zunutze machten, die einen geliebten Menschen verloren hatten oder einfältig waren, das Handwerk zu legen.
    Über den Brief Dr. Fergusons nachdenkend, fragte er sich, was man von ihm erwartete und ob er sich der ihm gestellten Aufgabe gewachsen zeigen würde.
    Er legte den Brief auf seinen Schoß und ließ seinen Gedanken freien Lauf. Er fand, daß, wenn der Brief vor allem geschrieben worden war, um seine Neugier zu reizen und auszuschlachten, er nicht besser hätte geschrieben werden können. Dennoch, das Fehlen jeglicher geistigen Differenziertheit, das so gar nicht zu dem Mann paßte, an den er sich erinnerte, bewies, daß sich keine hinterlistige Absicht dahinter versteckte. Dr. Frank Ferguson war der Panik nahe und hatte sich nicht geschämt, es zu zeigen.
    Und was konnte er mit den unseligen und erstaunlichen Reihen von Manifestationen gemeint haben, über die man sich in einem privaten Brief nicht näher auslassen konnte? Etwas auf Heros besonderem Gebiet, das einen Mann von Dr. Fergusons Fähigkeiten und Erfahrungen zu erstaunen vermochte, mußte tatsächlich außergewöhnlich sein. Ein «Durchbruch», etwas wirklich Parapsychologisches? Die lange erhoffte und leidenschaftlich ersehnte, unerklärliche Manifestation, die auf die Möglichkeit einer Verbindung mit dem Jenseits hindeutete? Aber wenn man das wirklich erreicht hatte, hätten es die Amerikaner bereits gemeldet, statt einen englischen Rechercheur in seiner privaten Eigenschaft zu Hilfe zu rufen.
    Warum dann unselig? Was konnten die Folgen für die amerikanische und möglicherweise auch die britische Regierung auf höchster Ebene sein, die einen klugen und scharfsinnigen alten Gelehrten obendrein persönlich zu bemühen vermochten?
    Und was war die höchste Ebene? Wie hoch oben lag sie? Der Präsident? Das Kabinett? Der Premierminister? Zog es einen Skandal nach sich, eine Enthüllung irgendwelcher Art, oder hatte jemand zufällig ein furchtbares Geheimnis entdeckt, von dem man jene an der Spitze als erste in Kenntnis setzen mußte?
    In den letzten Jahren war die Welt hinsichtlich eines Lebens im Jenseits skeptischer geworden, sowohl im religiösen als auch im okkulten Sinn. Dennoch, unter der scheinbaren Seelenruhe verbarg sich immer noch ein Rest jener Angst, daß eines Tages der Beweis erbracht werden könnte, daß bis jetzt verborgene Kräfte, die selbst noch stärker waren als das eingebildete Ich des
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