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Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben
Autoren: Paul Gallico
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Gesicht und verstellte seinen Sitz wieder so, daß er aufrecht sitzen konnte. Dann fuhr er mit der Zungenspitze vorsichtig über die provisorische Füllung im linken Backenzahn hinten, den Mr. Reardon, sein Londoner Zahnarzt, so beharrlich zu retten versucht hatte. Das war gut und schön, aber er hatte das Gefühl, eine nicht explodierte Bombe im Mund zu haben.
    «Ich glaube nicht, daß sie herausfallen wird», hatte Mr. Reardon gesagt. «Aber für den Fall, daß sie es tut, habe ich Ihnen die Adresse von Dr. Hofstetter in New York gegeben. Er ist ein ausgezeichneter Zahnarzt. Ich habe ihm geschrieben.»
    Instinktiv griff Hero zwischen seinen Beinen unter dem Sitz nach seiner Aktentasche, in der die Adresse des amerikanischen Zahnarztes, seines Helfers in der Not, war, und die für ihn fast eine Art Talisman darstellte. Er hatte zweimal heftige Zahnschmerzen und dadurch eine schlaflose Nacht gehabt und wollte das nicht noch einmal erleben. Zum siebtenmal auf diesem Fluge legte er die Aktentasche auf seinen Schoß, öffnete das Schloß, nahm den Brief heraus und las ihn noch einmal, der ihn dazu veranlaßt hatte, ein Experiment, mit dem er gerade in seinem Laboratorium in London beschäftigt war, im Stich zu lassen, ebenso wie die Korrekturfahnen seines Buches «Beweis im Okkulten» — eine Studie und Kompilation des Versagens der menschlichen Intelligenz und Verläßlichkeit, wenn es darum geht, übernatürliche Phänomene zu beweisen —, und natürlich auch darauf zu verzichten, seinen schmerzenden Zahn weiter behandeln zu lassen.
    Der Brief war von Dr. Frank Ferguson, Präsident der amerikanischen Schwestergesellschaft zur Erforschung des Übersinnlichen, aber er war auf Papier mit dem Kopf der Abteilung für alte orientalische Handschriften der New Yorker Öffentlichen Bibliothek in der 42. Street, Ecke Fifth Avenue geschrieben, deren Hauptkurator Dr. Ferguson war. Hero wußte, daß, wenn Dr. Ferguson es gewollt hätte, er auch eine dritte offizielle Adresse hätte benutzen können, die der Abteilung für orientalische Sprachen an der Columbia Universität, in der er Berater und Dozent war.
    Und jedesmal, wenn er den in einem geschraubten Stil geschriebenen Brief las, sah er wieder den höflichen, altmodischen, aber unerhört klugen Siebzigjährigen vor sich, der ihn geschrieben hatte. Aber wenn der Text voll weitschweifiger Redewendungen war, wie man sie einst benutzt hatte, so spürte man doch die an Panik grenzende Angst und Dringlichkeit, die sich hinter den in einer gestochenen Handschrift geschriebenen Zeilen verbarg.
    Der Brief lautete:

    Mein lieber Hero,
    darf ich mich Ihnen als glühender Bewunderer Ihrer Arbeit und Ihrer Methoden ebenso wie als Genießer Ihrer großzügigen Gastfreundschaft anläßlich meines letzten Besuches in London, bei dem Sie unser Forschungsgebiet freundlicherweise mit einer Anzahl eindrucksvoller Demonstrationen erleuchtet haben, in Erinnerung bringen?
    Ich habe in den letzten Wochen immer wieder darüber nachgedacht und frage mich, ob wir Sie dazu überreden könnten, herzukommen und uns mit Ihrem Wissen und Ihrer Erfahrung beizustehen.
    Es ist da ein Fall, oder lassen Sie mich lieber sagen, es sind mehrere Fälle, deren Folgen so weitreichend und so potentiell gefährlich sind, daß sich unsere Regierung auf höchster Ebene damit befaßt hat und die, wenn man ihrer nicht Herr wird, wahrscheinlich auch ernste Auswirkungen auf die Ihre haben würden. Hinzu kommt, daß ich persönlich peinlich davon betroffen bin. Ich versichere Ihnen, der Ernst der Lage läßt sich gar nicht überschätzen.
    Ich komme mir recht lächerlich vor, daß ich Ihnen so in Rätseln schreiben muß, aber Sie müssen mir glauben, daß ich dazu gezwungen bin, und mir vertrauen, wenn ich sage, daß es sich um äußerst unselige und erstaunliche Reihen von Manifestationen handelt, die ich nicht einmal dem Papier anvertrauen darf.
    Kurz, mein lieber Kollege, wir brauchen Ihre Hilfe. Wir brauchen sie dringend.
    Ich würde nicht einmal im Traum daran denken, Sie zu bitten herzukommen, hätten wir nicht selber alle Mittel, die uns zur Verfügung stehen,- erschöpft, um eine Lösung zu finden, so daß uns nichts anderes übrigbleibt, als an Ihre besonderen Talente zu appellieren. Unglücklicherweise spielt auch die Zeit dabei eine große Rolle. Wir stehen vor einem scheußlichen Dilemma. Wir können nicht warten. Wir können uns kein Mißlingen leisten.
    Und darum, mein Lieber, wenn Sie eine Möglichkeit sehen,
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