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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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Hauptstadt. Der Markt zu Saint-Cloud war leer, weder Butter noch Fleisch kamen mehr aus der Normandie.
    Die vom Hunger geplagten und in ihrem Haß von den eifernden Pfaffen aufgereizten dreihunderttausend Pariser fieberten danach, über die Handvoll frecher Hugenotten herzufallen, deren Kühnheit der großen Stadt spottete. Doch der Konnetabel suchte Zeit zu gewinnen. Er zögerte, den Kampf aufzunehmen, nicht etwa, weil er beabsichtigte – wie man ihm vorwarf –, Condé und Coligny zu schonen, die seine eigenen Neffen waren (welch bezeichnendes Sinnbild dieses brudermörderischen Krieges!), sondern weil er in seiner übergroßen Vorsicht und seiner von Arroganz überdeckten Mittelmäßigkeit die Ankunft der spanischen Verstärkung abzuwarten gedachte, ehe er den Angriff wagte.
    Doch die Tumulte, die daraufhin unter den Parisern ausbrachen, zwangen ihn dazu; und in seinem Zorn darüber, daß sie ihren Willen gegen ihn behauptet hatten, setzte der rachsüchtige Konnetabel als Vorhut noch vor den Reihen der Schweizer die Pariser Bürgerwehr ein, wohlbeleibte Männer, die ihre Schmerbäuche unter Goldtressen und blitzenden Waffen verbargen. Coligny stürzte sich mit seinen weißgewandeten mageren Gesellen auf sie, überrannte sie und schlug sie in die Flucht. In ihrem wilden Rückzug brachten die dicken Bürgerlein die Kampfordnung der Schweizer völlig durcheinander, was der Konnetabel in seiner Kurzsichtigkeit nicht vorauszusehen vermocht hatte.
    Der türkische Botschafter, welcher sich auf dem Hügel des Dörfchens Montmartre postieret hatte, daß er das Geschehen besser überblicke, wußte sich kaum zu fassen vor Erstaunen über den Mut und die Kühnheit unserer Weißröcke. »Wenn Seine Hoheit diese Weißröcke hätte«, rief er aus, »würde er um die ganze Welt ziehen, und nichts könnte ihn aufhalten.«
    In der Tat, nichts konnte Condé aufhalten, der an der Spitze seiner Reiter direkt auf den Konnetabel vorstieß. Was war dasfür ein Getümmel! Einer der Gefährten Condés, der Schotte Robert Stuart, welcher früher von den Papisten grausam gefoltert worden, kämpfte sich zu Montmorency durch und schoß ihn mit seiner Pistole über den Haufen.
    Nun der Befehlshaber des königlichen Heeres tot war, zog sich unsere kleine Armee, die zuwenig Mannen zählte, um siegen zu können, ungeschlagen nach Montereau zurück, wo sie versuchte, ihre Reihen aufzufüllen, während Paris sich die von den hugenottischen Wölfen geschlagenen Wunden leckte und gleichfalls bestrebt war, seine Verluste wieder auszugleichen. So stellte sich eine Art Waffenstillstand ein, welcher den ganzen Winter andauerte, da jede Seite sich für den entscheidenden Angriff zu stärken suchte. Wie endlos schien mir jener Winter in meinem zinnenbewehrten Logis! Um so mehr, da er in unserem Perigord voller Raureif und Schnee war und mir diese Kälte nach der linden Luft von Montpellier gar sehr in die Glieder fuhr. Ich schrieb nach Montpellier an meinen »Stu dienvater «, den Kanzler Saporta, an meinen Quartierherrn, Meister Sanche, an meinen Studiengenossen Fogacer. Ich schrieb alle Tage, die Gott werden ließ, an meine Angelina. Und einmal schrieb ich an Madame de Joyeuse und an die Thomassine.
    Letztere, so muß ich sagen, fehlten meinen Sinnen wie Angelina meinem Herzen. Nicht daß ich – sei es auch nur in Gedanken – meinem schönen Engel hätte untreu werden wollen, ganz gewiß nicht! Allein, wie sollte ich die Bitterkeit und Pein der Enthaltsamkeit so lange ertragen, da ich ein gar großes Verlangen nach dem holden weiblichen Körper in mir trug? Dazu dürften sich die animalischen Geister, welche den nicht zu bezähmenden Organen (von denen ein jedes bestrebt ist, seinen Daseinszweck um jeden Preis zu erfüllen) entspringen, nicht in solcher Menge in die Kanäle des Hirns drängen. Denn sobald unsere täglichen Vergnügen unterbrochen sind, lockt die Abstinentia selbige Geister in großer Menge hervor, und wir sehen uns tyrannisiert von unseren Träumen – des Tages, wenn wir unbeschäftigt sind, und des Nachts, sobald der Schlaf uns flieht. Indem nun mein Denken derart von Liebesverlangen beherrscht war, erinnerte ich mich wieder und wieder der Wonnen, welche ich gar viele Male im Nadelhaus der Thomassine und im Palais de Joyeuse genossen, was mich bei genauererÜberlegung doch recht verdroß, denn ich hätte immer nur von denen träumen wollen, welche ich mir mit Angelina erhoffte. Aber ach! wie wahr ist das Sprichwort aus unserem
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