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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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Périgord: Bratenduft allein macht nicht satt, und der Vorgeschmack von künftigem Liebesglück vermag den bescheidenen Brotkanten nicht zu ersetzen, welcher zur Hand ist, wenn der Magen leer und das Wasser im Munde zusammenläuft.
    Gegenwärtig hatte ich jedoch gar nichts, weder himmlische Ambrosia noch irdischen Brotkanten, da ich in Mespech eingesperrt saß wie in einem Kerker und es mir verboten war, mich in Sarlat oder auch nur in unseren Dörfern zu zeigen, so sehr fürchteten die Herren Brüder (womit ich meinen Vater und Sauveterre meine), daß in diesen unruhigen Zeiten mein Leben in Gefahr kommen könne.
    Während meiner Abwesenheit hatte sich mein Onkel Sauveterre verändert: sein Haar war noch stärker ergraut, der Hals in der kleinen hugenottischen Halskrause gemagert; sein verletztes Bein stark nachziehend, lief er griesgrämig umher, kaum drei Worte am Tage sprechend (und davon noch zwei aus der Bibel), mit mißbilligender Miene mehr denn je grommelnd über Jean de Sioracs Schwäche für Franchou, das ehemalige Kammermädchen meiner verstorbenen Mutter, obgleich er den Bastard, David geheißen, wohl leiden mochte, den mein Vater mit der Schönen gezeugt und welcher nun schon ein Jahr alt war.
    Franchou, die ihn noch säugte, war bereits wieder schweren Leibes und sehr erfreut, daß der Baron ihr bedeutet hatte, ihm wäre auch ein Mägdlein recht, da es, wie er sagte, mit Jacquou und Anet (meinen Milchbrüdern, den Söhnen meiner Amme Barberine) und meinem Halbbruder David auf Mespech schon kleine Buben zur Genüge gebe und er diesmal etwas Hübsches wolle, das mehr Freundlichkeit in unsere alten Mauern hineinbringen möchte. Welchselbe Worte bewirkten, daß Franchou sich ohne Furcht den Freuden der kommenden Mutterschaft überließ, da sie gewiß sein konnte, daß die Frucht ihres Leibes in jedem Falle willkommen wäre, denn wenn mein Vater auch ein Mägdlein wollte, so hat man doch niemals einen Mann gesehen, der über männliche Nachkommenschaft die Nase gerümpft hätte.
    Ah! welch ergötzliche Tischgesellschaft waren wir desSonntags in jenem Winter trotz der Kälte und des Schnees, wenn Cabusse mit seiner Cathau von Le Breuil heraufkam, unser Steinbrecher Jonas mit der Sarrazine aus seinem Haus an der Grotte und Coulondre Bras de Fer mit seiner Jacotte aus der Beunes-Mühle, die drei Frauenzimmer trefflich anzusehen in Sonntagsstaat und Spitzenhäubchen, jede mit einem Kindelein auf dem Arm, ohne Franchou zu vergessen, welche von allen am stolzesten war, weil ihr David einen Baron zum Vater hatte. Zum Ende des Mahles (das an solchen Tagen höchst deliziös war) geschah es dann, daß die eine oder andere der vier ihr Mieder aufschnürte und eine weiße Brust hervorholte, um ihr Kind zu säugen; nur die Cathau drehte sich dazu um, weil Cabusse gar eifersüchtig war. Allein, der Anblick der drei anderen reichte hin, das Auge zu erfreuen und das Herz zu rühren, und von der Stirnseite des Tisches her unterbrach mein Vater mit der Hand Sauveterres ernste Rede, daß er schweigend die Schönheit dieses Anblickes genösse, an dem er sich nicht sattsehen konnte, so sehr liebte er das Leben. Sauveterre hingegen hielt die Augen gesenkt – überzeugt, das Weib sei nur Sinnestrug und Seelenverderb oder bestenfalls kurze Freude und lange Sorge, doch immerhin erfreut, daß sich auf Mespech die kleinen Hugenotten mehrten, welche nach uns die Fackel der wahren Religion auf dieser Erde weitertragen würden.
    »Ach!« rief meine Barberine aus beim Anblick der Jacotte, welche ihrem Kinde die Brust gab, das den Vornamen Emmanuel trug und ganz im Unterschied zu seinem wortkargen Vater Coulondre Bras de Fer ein Schreihals war, desgleichen man in diesen Mauern noch nicht gehört hatte. »Ach! meine Zeit ist vorbei!« (Sie seufzte.) »Was bleibt mir hier, seit Madame nicht mehr ist?« (Letzteres sprach sie mit leiser Stimme, um Moussu lou Baron nicht zu betrüben.) »Was bin ich noch nütze, da ich nur verstehe, meine Milch zu geben wie eine arme Kuh im Stalle? Als Madame noch unter uns war, da ließ ich mich, sobald sie schwanger ging, von meinem Manne ebenfalls schwängern, so daß die Frau Baronin nur eine Aushilfsamme brauchen möchte, bis ich niederkäme und meine Milch schösse. Doch was tue ich alljetzt? Das Herz möchte mir zerspringen, wenn ich sehe, wie diese vortrefflichen jungen Weibspersonen ihren prächtigen Kleinen die Brust geben und sie mit ihrer guten Milch reichlichst säugen, wie ich es einst mit den
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