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Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Merle
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Entschuldigung. Wo bleibt bei all dem das Gesetz, die Vernunft, die Umsicht? Ihr habt gehandelt wie ein Tollkopf!«
    Ich schwieg dazu, ohne jedoch den Kopf zu senken, denn Demütigkeit lag nicht in meiner Natur.
    »Mein Herr Sohn«, fuhr Jean de Siorac in höchst ernstem Ton fort, mich Auge in Auge anblickend, »ich habe beschlossen, daß Ihr nicht nach Montpellier zurückkehrt, solange unser Krieg mit den Papisten andauert.«
    »Aber Herr Vater!« rief ich voller Schrecken und Bestürzung, »meine Medizinstudien! Was wird aus ihnen während all dieser Zeit?«
    »Ihr werdet sie in Mespech mit meiner Hilfe weiter betreiben, indem Ihr fleißig in Euren Büchern studieret und mit mir zusammen sezieret.«
    Worauf ich schwieg, nicht wissend, was ich antworten sollte, denn sosehr ich aus tiefstem Herzen Mespech mit seinen Ländereien liebte, erfüllte mich doch der Gedanke, eine so lange Zeit weit entfernt von Montpellier und – ich sage es offen – von Barbentane weilen zu müssen, mit großer Trauer und Betrübnis.
    »Mein Pierre«, sprach darauf Jean de Siorac, der meine Gedanken erraten hatte, in milderem Ton, »grämet Euch nicht: eine große Liebe wird durch Trennung nur noch größer. Überdauert sie eine solche nicht, war sie nicht groß genug.«
    So wahr diese Worte waren, vermochten sie mich dennoch nicht vollends zu trösten.
    »Mir ist allein an Eurer Sicherheit gelegen«, sprach er, »und deshalb will ich Euch von den Wirren in Montpellier fernhalten, solange sich dort Hugenotten und Papisten im Namen Christi gegenseitig die Kehle durchschneiden.« Nach kurzem Schweigen fuhr er mit einer gewissen Traurigkeit in seinen sonst lebhaften und fröhlichen Augen fort: »François ist mein Ältester, also wird er Mespech erben. Und Ihr wißt, was von ihm zu halten ist. Doch Ihr, mein Zweitgeborener, glänzet durch so viel Mut und Talent, daß es Euch unzweifelhaft gegeben sein wird,dem Namen, den Ihr tragt, eines Tages zu großem Glanz zu verhelfen. Indes seid Ihr von heftiger Natur, unbedacht und vorschnell im Handeln. Also will ich mit Gottes Hilfe Euer Leben schützen, denn Ihr besitzet nur eines, und ich möchte nicht, daß Ihr es in der Blüte Eurer Jugend verliert, was mir in meinen alten Tagen großen Schmerz und Kummer bereiten würde. Mein Pierre, ich sage es freiheraus: Ihr bedeutet mir mehr als mein Baronat.«
    Auf diese Worte, die mich zutiefst bewegten, schwieg ich, die Kehle wie zugeschnürt und Tränen in den Augen, denn mein Vater hatte mir noch nie offenbart, wie groß seine Liebe zu mir war, obgleich seine Rede gewöhnlich seinen Gedanken sehr nahe folgte, denn er war – wie ich, den er so geprägt hatte – ein freiherziger Mensch, der außer vor seinen Feinden nichts zu verbergen pflegte.
    Oh, Leser! Wie herzlich wurde ich in Mespech aufgenommen (wo wir weniger als vierzehn Tage nach unserem Aufbruch von Barbentane anlangten, da wir manchen Tag kein Quartier gemacht und in schärfster Gangart geritten waren); wie glücklich fühlte ich mich als Liebling des ganzen Schlosses, wohlgelitten und verwöhnt von allen, ob Herren oder Gesinde, und meinerseits allen zugetan bis zum letzten Knecht; wie groß war meine Freude über das Wiedersehen mit meiner geliebten Amme Barberine, die mich mütterlich in die Arme schloß und an deren Busen ich mich abends schmiegte, ohne mich zu beschämen. Allein, sobald mein Vater Briefe aus dem Norden erhielt (und in diesen unruhigen Zeiten zirkulierten die Nachrichten schnell von Hugenott zu Hugenott), drang ich in ihn, sie lesen zu dürfen, und verschlang sie sogleich, immer auf den Sieg unserer Seite hoffend, das Ende dieses blutigen Krieges ersehnend, das ich aus Liebe zu den Menschen und zum Königreich, aber auch um meinetwillen, um meiner Rückkehr nach Montpellier und um meiner Angelina willen aus ganzer Kraft herbeiwünschte.
    Gewiß, das Kriegsglück war uns nicht abhold, ganz im Gegenteil. Mit kaum zweitausend Mann waren Condé und Coligny in ihrer unglaublichen Kühnheit nach Paris vorgestoßen und hatten in dieser riesigen, ganz den Papisten ergebenen Stadt die zwanzigtausend Soldaten des Konnetabel de Montmorency eingeschlossen.
    Ein wahres Wunder: die Fliege belagerte den Elefanten. Mehr noch: sie hungerte ihn aus. Sie plünderte die Dörfer, so sie sie nicht besetzt hielt wie Saint-Denis, Saint-Ouen und Aubervilliers, leerte die Scheunen, brannte die Mühlen nieder, fing die Viktualientransporte ab. Das Brot aus Gonesse gelangte nicht mehr in die
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