Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)

Titel: Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
verlassen, so taten wir es jetzt noch seltener und stets angetan mit der eisernen Sturmhaube, Morion geheißen, und dem Brustpanzer, die Pistolen im Sattel, indes die Vettern Sioracvorausritten, welche treffliche Jäger waren, deren scharfem Auge und feinem Gehör nichts entgehen mochte.
    Beim Herannahen der Nacht, wenn Mensch und Tier in ihrem Quartier waren, ward alles verriegelt; das mächtige Portal des Torhauses von innen mit einer eisernen Stange versperrt, das Fallgatter herabgelassen und – so es nicht regnete – die Fackeln in die Mauerlöcher gesteckt, um beim ersten Alarm angezündet zu werden, daß der nahende Feind, seine Zahl und seine Angriffsbewegungen erkannt würden. Dem im Torhaus wachenden Escorgol wurde mein Diener Miroul beigegeben (»Miroul mit den zwiefarbenen Augen, eines blau, eines braun«, sang meine arme kleine Hélix vor sich hin in den Augenblicken der Besserung während ihres langen Sterbelagers), welcher bei der ersten Wahrnehmung verdächtigen Geräuschs loslaufen und uns Kunde davon bringen sollte, denn er lief behender und schneller als ein Hase.
    Auch nahm mein Vater mit mir und Samson den unterirdischen Gang in Augenschein, welchen er während meines Aufenthalts zu Montpellier hatte graben lassen als Verbindung zwischen der Burg und der Beunes-Mühle, welchselbige Mühle der schwache Punkt unserer Wehranlagen war, denn obgleich sie von unserem Steinhauer Jonas befestigt worden, welcher die Fensteröffnungen verkleinert und hier und da verdeckte Schießscharten angelegt hatte, stand sie doch direkt am Wege hingebaut, von einem großen Holzzaun umgeben, die Mauern nicht mächtig genug, einer Belagerung durch zwei Dutzend wagemutige Strauchritter zu widerstehen, zumal Coulondre und seine Jacotte die einzigen Verteidiger waren, welch beiden es zwar an Tapferkeit nicht gebrach, aber Coulondre hatte nur anderthalb Arme und Jacotte ein Wickelkind in den ihren.
    Das ganze Jahr hindurch lagerten in dieser Mühle große Vorräte von Getreide (die ganze Umgebung ließ allhier mahlen), große Mengen von Nüssen, aus welchen Öl gepreßt ward, und befanden sich da auch viel Schweine – die unseren und die des Coulondre –, wohlgenähret mit der frischen Kleie aus dem Mahlwerk, welche Schätze in diesen Zeiten der Not angetan waren, das Verlangen der Strauchdiebe anzustacheln. Und hatte nicht der Fontenac 1557 (im sechsten Jahr meines Lebens), indes mein Vater und unsere Soldaten bei Calais im Kampfe lagen, eine zahlreiche Zigeunerbande aufgewiegelt,besoldet und gegen Mespech geschickt, welche es beinahe eingenommen hätten und denen mein Oheim Sauveterre zähneknirschend Lösegeld gezahlet, daß sie sich zurückzögen?
    »Mein Herr Vater«, so sprach ich, »könnte dieser unterirdische Gang, welcher uns ermöglicht, der Mühle zu Hilfe zu kommen, nicht auch, so die Mühle eingenommen, dem Feinde ermöglichen, in die Burg einzudringen?«
    »Mein Pierre«, sprach Jean de Siorac, »wisset zuerst, daß der Gang innerhalb der äußeren Befestigungsmauer mündet, von wo noch der die Burg umgebende See zu überwinden bleibt, zu welchem Zwecke der Feind sich erst der beiden Zugbrücken bemächtigen müßte, der äußeren, welche das feste Land mit der Insel verbindet, und der inneren, welche von der Insel zur Innenburg führet. Zum zweiten wird die Mündung des Ganges von einem gar mächtigen Fallgatter versperrt, welches nur von außen zu öffnen. Und schließlich senkt sich auf unseren Befehl hin zehn Klafter hinter dem ersten Gatter ein zweites hernieder, welches die Angreifer also in einer Falle einschließet und unserer Gewalt ausliefert.«
    »Und auf welche Weise werden sie unserer Gewalt ausgeliefert?« fragte mein lieber Samson, die blauen Augen vor Staunen weit geöffnet und wie immer bei jedem S lispelnd.
    »Durch diese Falltür hier«, sprach mein Vater, »hat man gebückt Zugang zu jenem Teil des Ganges, welcher sich zwischen den beiden Gattern erstreckt und wo die Decke aus losen Bohlen bestehet; also vermag man von oben den Feind, welcher gefangen in der Falle sitzet, mit Piken, Spießen oder Lanzen und – so er gepanzert ist – mit Büchsenkugeln zu durchbohren.«
    »Ist’s nicht ein Jammer«, sprach mein Samson mit einem Seufzer, »daß so viele Leute zuschanden gehen müssen?«
    »Es ist ein Jammer«, sprach Jean de Siorac, »doch könnet Ihr Euch vorstellen, so sie Mespech einnähmen, was sie uns antäten? Und den Weibspersonen auf der Burg?«
    Nach diesen Worten bewegte er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher