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Die großen Vier

Die großen Vier

Titel: Die großen Vier
Autoren: Agatha Christie
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den hinteren Ausgang des Hotels; nun befanden wir uns im Freien. Nicht viel später erreichten wir den Tannenwald. Ich nahm eine weitere Gestalt wahr, die sich in der gleichen Verfassung wie ich befand, und erkannte sogleich Poirot, der ebenfalls ein Opfer dieses kühnen Unternehmens geworden war. Diesmal hatte kühne Frechheit gesiegt. Nummer vier hatte, wie ich annahm, ein stark wirkendes Betäubungsmittel, wahrscheinlich Äthylchlorid verwendet – offenbar hatte er eine kleine Ampulle davon direkt unter unserer Nase zerbrochen. In dem allgemeinen Durcheinander während der Panne hatten alsdann seine Komplizen, die vermutlich als Gäste an den Nebentischen gesessen hatten, sich auf uns gestürzt, uns geknebelt und durch den hinteren Ausgang des Hotels geschleppt, so entgingen sie in der allgemeinen Verwirrung einer Verfolgung.
    Die Stunde, die nun folgte, ist kaum zu beschreiben; in größter Eile wurden wir auf halsbrecherischen Wegen durch den Wald geführt, es ging stetig bergan. Als wir endlich aus dem Walde herauskamen, befanden wir uns an einem Bergabhang, und ich erblickte vor mir eine Anhäufung von fantastischen Felsen und Gesteinsbrocken. Dies musste das Felsenlabyrinth sein, von dem Harvey gesprochen hatte. Kreuz und quer wanden wir uns durch die zahllosen Schluchten hindurch, der Ort glich einem Irrgarten, der von einem Teufel erdacht zu sein schien.
    Plötzlich hielten wir an. Ein riesengroßer Felsblock versperrte den Weg, einer der Leute bückte sich und schien etwas in Bewegung zu setzen. Völlig geräuschlos drehte sich die gewaltige Steinmasse und gab einen kleinen, tunnelartigen Eingang in das Felsmassiv frei. Hier hinein wurden wir geführt. Eine kurze Strecke war der Tunnel sehr schmal, verbreiterte sich jedoch, und nach nicht allzu langer Zeit gelangten wir in eine große Felsenkammer, die elektrisch erleuchtet war. Dort befreite man uns von den Knebeln. Auf ein Zeichen von Nummer vier, der uns gegenüberstand und uns spöttisch betrachtete, wurden wir durchsucht und sämtliche Taschen entleert. Auch Poirots kleiner Selbstlader entging nicht ihrer Aufmerksamkeit. Ein Schmerz durchzuckte mich, als er auf den Tisch geworfen wurde. Nun waren wir völlig wehrlos – hoffnungslos überwältigt und geschlagen, mit einem Wort – es war das Ende.
    «Willkommen im Hauptquartier der Großen Vier, Monsieur Hercule Poirot», begrüßte uns Nummer vier mit triumphierendem Lächeln. «Es ist ein unerwartetes Vergnügen, Sie wiederzusehen. Aber war es wirklich der Mühe wert, aus dem Jenseits aufzutauchen, um dies zu erleben?»
    Poirot antwortete nicht, während ich nicht wagte, ihn anzusehen.
    «Folgen Sie mir», fuhr Nummer vier fort. «Ihre Ankunft wird einige Überraschung bei meinen Kollegen auslösen.»
    Er zeigte auf einen engen Durchgang in der Wand. Wir folgten und befanden uns in einer anderen Kammer, an deren äußerstem Ende ein Tisch mit vier Stühlen aufgestellt war. Der Stuhl zur Linken stand leer, doch war er drapiert mit dem Mantel eines chinesischen Würdenträgers. Auf dem zweiten, eine Zigarre rauchend, saß Mr Abe Ryland. Zurückgelehnt in den dritten Stuhl, mit feurigen Augen und ihrem nonnenhaften Gesicht, sah ich Madame Olivier.
    Nummer vier nahm seinen Platz auf dem vierten Sessel ein. Wir befanden uns in der Gesellschaft der Großen Vier. Nie zuvor war ich mir der Existenz und Gegenwärtigkeit von Li Chang Yen so sehr bewusst wie in diesem Augenblick, da ich seinem leeren Stuhl gegenüberstand. Obgleich weitab im Fernen Osten, kontrollierte und leitete er doch seine Verderben bringende Organisation.
    Madame Olivier stieß einen Ausruf der Überraschung aus, als sie uns erkannte. Ryland jedoch schien seine Selbstbeherrschung zu bewahren, er schob nur seine Zigarre von einem Mundwinkel zum anderen und hob seine grau melierten Augenbrauen.
    «Monsieur Hercule Poirot», sagte er bedächtig, «das ist eine tolle Überraschung, die Ihnen glänzend gelungen ist. Wir wähnten Sie unter der Erde wohl geborgen, aber das tut nun nichts mehr zur Sache, seit das Endspiel begonnen hat.»
    Es lag ein Klang von Stahl in seiner Stimme. Madame Olivier hüllte sich in Schweigen, nur ihre Augen leuchteten, und ich hasste die Art, wie sie uns anlächelte.
    «Madame et messieurs, ich wünsche Ihnen einen recht guten Abend», sagte Poirot mit äußerster Ruhe.
    Etwas Ungewöhnliches, etwas in seiner Stimme, auf das ich nicht vorbereitet war, ließ mich zu ihm hinüberblicken. Er erschien durchaus
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