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Die große Volksverarsche

Die große Volksverarsche

Titel: Die große Volksverarsche
Autoren: Hannes Jaenicke
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that God loves us and loves to see us happy.«

    »Wein ist der dauerhafte Beweis,
dass Gott uns liebt und uns glücklich sehen will!«
    Benjamin Franklin

    In vino veritas? Von wegen. Obwohl man nach dem aufsehenerregenden Glykolskandal Mitte der 1980er-Jahre eigentlich den Eindruck hatte, die Weinbranche habe ihre Lektion gelernt und halte sich seitdem an die Gesetze ... Aber da Weinreben nun einmal überaus empfindliche Pflänzchen sind, werden herkömmliche Trauben genau wie andere Obstsorten auch mit Insektiziden, Pestiziden, Fungiziden und Bioziden bombardiert. Klar, dass dieses Giftzeugs nicht nur in der Flasche landet, sondern auch in Boden und Grundwasser.

    Aus dem Nähkästchen: Mitte der 1990er drehte ich eine französische Produktion im Département Hérault, zwei Stunden nördlich von Sète. Es war Anfang Mai und ungewöhnlich kalt, die Zeit der Eisheiligen. Als ich eines Morgens aufstand und den Vorhang meines Hotelfensters öffnete, war der Himmel voller schwarzer Rauchwolken. Was ich zunächst für ein großes Feuer hielt, entpuppte sich wenig später als der Versuch der Winzer,
die Weinstöcke vor dem späten Frost zu schützen. Und das geht so: Man nehme Hunderte alter, abgefahrener Autoreifen, verteile sie in den Weinbergen zwischen den Weinstöcken, übergieße sie mit Benzin und zünde sie an, um die Rebstöcke warmzuhalten ... Dass bei der Verbrennung von Gummi hochgiftige Substanzen entstehen, die sowohl in die Pflanzen als auch in den Boden gelangen, schien niemanden zu kümmern, solange die Ernte gesichert war. Über mehrere Tage wurde dieses »Frostschutzmittel« angewandt, bis es wieder wärmer wurde. Seither konsumiere ich keinen französischen Wein mehr. Aber ob Winzer anderer Länder anders vorgehen, wenn es um ihre frierenden Reben geht?

    »Eine Flasche [Wein], die nur fünf Euro kostet, würde ich nicht kaufen.« Für diese ironische Bemerkung wurde SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in der Vorweihnachtszeit 2012 scharf kritisiert. Obwohl er mit dieser Auffassung eigentlich voll im Trend liegt; denn 2012 wurden zwischen Flens- und Freiburg weniger, dafür aber teurere Weine gekauft. Die 1,4 Milliarden verkauften Liter Wein brachten einen Umsatz von rund sechs Milliarden Euro (+1,2 Prozent ggü. 2011). Jeder (!) Bundesbürger hat 2012 also im Schnitt ca. 17 Liter Wein getrunken. Und ob dieser nun 3, 5 oder 35 Euro je Flasche gekostet hat: Hauptsache, er hat gemundet. Nun lässt sich über Geschmack zwar bekanntlich nicht streiten. Doch ein paar Weisheiten und mindestens ebenso viele Unwahrheiten rund um den Göttertrank gibt es schon. Und wer wüsste das besser als der staatlich vereidigte Weinsachverständige Peter Scheib 80 , der seit dreißig Jahren Weine aus Deutschlands Regalen und Kellern kontrolliert ...

    Willkommen in einem hessischen Winzerbetrieb mit Dependance in Franken. Die Spezialität des Hauses: Eiswein. Dieser
wird üblicherweise aus Trauben gemacht, die – noch an der Rebe hängend – bei mindestens – 7 Grad gefroren sind. Nicht so bei diesem Rheingau-Winzer: Der lässt, ganz gewieft, seine Eiswein-Trauben lieber im heimischen Eisfach gefrieren. Und hat er gerade keine schmackhaften Rheingau-Trauben zur Hand, holt er sich eben welche aus Franken – und fertig ist der edle Rheingau-Eiswein. Dank eines anonymen Hinweises flog dieser Schwindelwinzer auf. Allerdings führt auch mancher Hinweis ins Leere; denn der harte Wettbewerb auf dem Weinmarkt bringt es mit sich, dass Konkurrenten versuchen, sich gegenseitig anzuschwärzen und hinterrücks ein Bein zu stellen.
    Doch selbst ohne Hinweise von Dritten werden immer wieder Betrügereien aufgedeckt. Schließlich gibt es allein im Land Berlin rund 12.000 Verkaufsstellen, die Wein im Sortiment haben, vom Spätkauf am Kottbusser Tor bis zur Weinabteilung im KadeWe. Jährlich werden hier bis zu 1.000 Stichproben genommen. Auch von Württemberger Weinen. Das Anbaugebiet Württemberg ist vor allem für seine Rotweinlagen berühmt. Stichprobe: Laut Etikett handelt es sich um einen »Schwarzriesling«. Diese rote Traditionssorte, die als Petit Meunieur auch Bestandteil des Champagners ist, zeichnet sich durch eine sehr helle Farbe, weniger Fruchtaroma, dafür aber würzige Noten aus. Der Probewein im Glas ist jedoch tiefrot und schmeckt so wenig nach Schwarzriesling wie ein Pils nach Weißbier. Die chemische Analyse gibt der Kostprobe recht: Etikettenschwindel! Der entsprechende Württemberger Winzer ist rasch ausfindig
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