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Die große Volksverarsche

Die große Volksverarsche

Titel: Die große Volksverarsche
Autoren: Hannes Jaenicke
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    Wein ist somit zwar ein kontrolliertes, aber auch gekonnt komponiertes Industrieprodukt. Das gilt vor allem für den Massenmarkt. Verwässerung und heimlicher Traubenmix gehören da noch zu den harmlosen Tricksereien, um den Ab- und Umsatz hochzuschrauben. Wer sich hingegen an das nachträgliche Aromatisieren traut, spielt schon in der höheren Betrügerliga. Vielleicht meint auch deshalb manch ein Produzent von preisgekrönten oder mit Gault-Millau-Trauben prämierten Weinen, er sei dazu berufen und befugt; denn, so Peter Scheib, »Aromatisierung ist in der obersten Liga durchaus keine Seltenheit, um oben zu bleiben. Einfach a bisserl Grapefruit-Note dazu, dann ist’s wieder das Spitzentröpfchen vom Vorjahr«, und die Weinwelt schwärmt erneut von dem so wunderbar lebendigen, nervigen Zitrusaroma ... Bei einem Sauvignon Blanc aus Südafrika, dessen Produzent wohl ebenfalls die Mode der fruchtigen Weine bedienen wollte, ging die Dosierung allerdings ziemlich daneben. Sauvignon Blanc hat normalerweise ein intensives Aroma von grünem Paprika
und ein wenig von Schwarzer Johannisbeere. Der südafrikanische Sauvignon Blanc aber schmeckte extrem ausgeprägt nach Paprika und Johannisbeere. Die Analyse ergab, dass dem Wein nachträglich die ätherische Verbindung Pyracine zugesetzt worden war. Und bei einigen Weinen aus Argentinien entdeckte man kürzlich sogar Natamycin (E 235), ein antibiotisch wirkendes Arzneimittel gegen Pilzinfektionen. In Europa ist der Einsatz von Natamycin bei der Weinherstellung verboten. Bei Käse und Wurst übrigens nicht : »Rinde nicht zum Verzehr geeignet« heißt es dann üblicherweise ... Für das runde, weiche, auskleidende Mundgefühl wiederum bevorzugt die Weinfabrik die Zugabe von synthetischem Propan-1,2,3-triol, besser bekannt als Glycerin oder E 422. Attraktiver Nebeneffekt sind die »Kirchenfenster«, die sich am Glasinneren bilden, wenn man den Wein leicht hin und her schwenkt. Die größten Glycerinaktionen laufen bei den Großabnahmen: Wenn beim Discounter ein Gran Reserva (Spanien) für 2,99 Euro angeboten wird, so steckt da mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur der Wurm, sondern auch viel Glycerin drin. Denn ein echter Gran Reserva muss mindestens fünf Jahre, davon zwei Jahre im Eichenholzfass reifen, bevor er auf den Markt gebracht werden darf. Insbesondere Spanien steht derzeit aber stark unter Druck: Nach wie vor ist das Land des Flamenco und der Immobilienblasen eines der größten Weinproduzenten weltweit, die Nachfrage nach spanischem Wein jedoch ist spürbar zurückgegangen. In einer solchen Situation haben Großabnehmer wie Aldi, Tengelmann und Edeka gute Karten im Preispoker. »Irgendwann werden diese Winzerbetriebe regelrecht in die Kriminalität getrieben, um zu überleben«, sagt Peter Scheib. Denn während der Händlerabgabepreis immer stärker gedrückt wird, bleiben die Produktionskosten die gleichen ...

    Wein(mono)kultur
    »Der liebe Gott schützt seinen Rebensaft«, sagt Peter Scheib und meint damit, dass die Weinrebe aus dem Boden nur aufnimmt, was ihr guttut. Während also Apfel, Gurke oder Tomate bei Überdüngung des Bodens hohe Schadstoffwerte (z. B. Blei, Kadmium) in der Frucht aufweisen, ist in der Traube nichts dergleichen zu finden. Allerdings werden Trauben stattdessen aus anderer Richtung von Schadstoffen heimgesucht, um Schädlinge von ihnen fernzuhalten. An besonders steilen Weinhängen sollen neuerdings sogar unbemannte Drohnen beim gezielten Spritzen helfen. Spätestens sechs Wochen vor der Ernte, so die Vorschrift, muss jedoch Schluss sein mit der Schädlingsbekämpfung aus der Luft, damit die Traubenoberfläche bei der Lese wieder schadstofffrei ist. Sollte es in diesen sechs Wochen nicht regnen, dürften die Trauben aber noch reichlich Schadstoffe an sich haben ... Insofern ist die wachsende Popularität von Bioweinen bei uns Weintrinkern recht gut nachvollziehbar. Und immer mehr Weinbauern schließen sich dem Ökotrend und einem der entsprechenden Anbauverbände (Bioland, Demeter etc.) an. Derzeit gibt es in Deutschland jedoch nur einen Verband, der sich auf ökologischen Weinanbau spezialisiert hat: Ecovin. Völlig auf anorganische Pflanzenschutzmittel zu verzichten
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