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Die große Verschwendung

Die große Verschwendung

Titel: Die große Verschwendung
Autoren: Wolfgang Schoemel
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was sie sagt. Und wenn du es nicht glauben magst, wird sie dich demütigen, immer schlimmer, je schwächer du wirst. Niemand sagt seinem frisch gebackenen Liebhaber so etwas, wenn er nicht jahrelang darüber nachgedacht hat. Abgesehen davon, dass es richtig ist, was du eingewendet hast, nämlich dass sowieso nur einfache Geister behaupten können, eines anderen Glück zu sein. Allerdings ist das höhere Weisheit, das gehört nicht in den Alltag. – Glück! Das ist schon wieder ein Wort, das man offenbar ganz einfach aussprechen muss. Oder eben nicht. Sprich es aus! Dann bist du eine Sekunde lang glücklich damit. Sag ›Glück‹!« – »Glück. Glück!«
    Das letzte »Glück« hat Madlé hinausgeschrien, wie im Wahn, auf dem Balkon stehend, zum Rhein hin gewandt.
    Am kommenden Tag löst er sein Versprechen ein und geht mit Glabrecht spazieren, durch den Wald, über den Berg nach Schlangenbad. Über zwei Stunden sind sie bereits unterwegs, und unter dunstweichem Himmelblau, von dem man nicht weiß, wie weit entfernt es ist, haben sie nur sehr wenig miteinander gesprochen. Madlé geht zu einem hohen Stapel aus mächtigen, gerade gewachsenen Buchenstämmen.
    »Ich muss zwanzig Minuten schlafen«, sagt er, »der viele Wein«, klettert hoch und legt sich mit dem Rücken längs auf den obersten Stamm, die geknüllte Jacke unter seinem Kopf.
    Glabrecht setzt sich zu ihm, einen Stamm tiefer, und er kann beobachten, wie der andere fast augenblicklich einschläft, offenbar unbeeindruckt von der Härte seiner Liegestatt. Auch Glabrecht streckt sich lang auf seinem Stamm aus, hat nur kurz Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht, liegt dann ganz ruhig, blickt in den Himmel. Die milde Sonne scheint ihm ins Gesicht. Nach ein paar Minuten haben sich seine Ohren in den Wald hineingearbeitet, es ist, als ob irgendwelche Geräusche verstummen würden und eine bislang verborgene, unterdrückte Ruhe dränge an sein Ohr. Es kann sein, dass das Holz unter ihm für diese Sinnenschärfung sorgt. Seine Wärme strahlt tief und tröstlich in den Körper hinein, so, als kenne es, als liebe es ihn und wisse exakt, was ihm fehlt. Sehr leise und schüchtern sind die hauchdünnen Pfiffe zweier Grauschnäpper, die schräg über Glabrecht in einer einzeln stehenden hohen Fichte umhertollen. Sie wollen sich offenbar nicht in die Stille vordrängeln, die vom Fallen des Laubes beherrscht wird. Ringsum Linden, Eichen und Buchen: Jedes Blatt, wie es hinuntertaumelt, erzeugt mehrere Laute, trifft ein anderes Blatt, einen Zweig, dann ein weiteres Blatt, und all diese Laute spielen zusammen. Jedes Mal, wenn ein leichter Wind aufkommt, verstärken sich der schwere Regen der Blätter und die Vielfalt der Geräusche. Und hinzu treten dann die härteren Aufschläge der Eicheln. Manchmal trifft eine Eichel einen Stein, dann entsteht ein neuer Klang. Ein neues Instrument wird angeschlagen.
    Glabrecht dreht den Kopf, um dem emsigen Treiben zuzuschauen: Ehe sie den Waldboden erreichen, scheinen die Blätter schneller und gerader zu fallen. Sie hören auf zu torkeln, entschiedener sind sie in ihrem Streben, so, als freuten sie sich auf die Gesellschaft der anderen, die unten bereits warten, in der gemeinsamen Heimat, die man für eine kurze Existenz oben auf den Bäumen verlassen hat.

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