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Die große Verschwendung

Die große Verschwendung

Titel: Die große Verschwendung
Autoren: Wolfgang Schoemel
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hätte Glabrecht die Sache tatsächlich nicht so sehr gegen sich selbst gerichtet, wie er es dann tat. All ihre Selbstbezichtigungen halfen ihm nicht weiter. Er selbst war es, der alles zerstört hatte, so, wie er schon seine Ehe zerstört hatte, so, wie er Theresa in die Flucht geschlagen hatte. Es hatte wohl einfach keinen Sinn, sich anzustrengen und mit sich ins Gericht zu gehen, wegen all der Fehler, die er gemacht hatte und deren Folgen er als Unglück mit sich trug. Diese Fehler, sie kamen ihm von vorne entgegen, wenn er sie weit hinter sich vermutete. Hallo, sagten sie, da sind wir wieder! Wir sind immer vor dir hergegangen, du Idiot! Wir hatten uns nur ein wenig verkleidet.
    Doch um welche Fehler handelte es sich im Einzelnen? Glabrecht bemerkte, dass er das ganz und gar nicht präzise wusste. Aber es würde schon mit dem zusammenhängen, was Marianne und ähnlich auch Theresa ihm vorgeworfen hatten.
    Sie sei von der Betreuung des Bremer Projekts zurückgetreten, schrieb Adriana am Ende, weil sie ihn schonen wolle. Keinen besseren Liebhaber als ihn habe sie jemals gehabt. Sie küsse ihn. Glabrecht hatte nicht geantwortet, natürlich nicht. Stundenlang hatte er in bewegungsloser Panik vor dem Bildschirm gesessen, gelegentlich leise und anhaltend gestöhnt, so, als hätte er starke Schmerzen oder wäre an einem besonders gelungenen Geschlechtsverkehr beteiligt.
    Das Stöhnen verstummte jedes Mal, wenn er seine Starre unterbrach, um sich mit den Fäusten gegen die Schläfen zu schlagen. Dass doch die Existenz aufhören möchte! Einfach überraschenderweise aufhören , und zwar sofort, noch ehe dieser Wunschgedanke zu Ende gedacht war, denn wenn der Gedanke erst erfolgreich ausformuliert oder gar ausgesprochen wäre, würde ja nichts geschehen sein! Und dieser Satz, nämlich der Satz über den tatenlosen Gedanken, wurde abermals bemerkt und auf einer dritten Gedankenstufe diskutiert und verhandelt. Und so ging es fort und fing von neuem an, wie ein Echo, das ein Echo hat, das ein Echo hat. Und der Körper existierte weiter, wie er da saß. Er hörte die dunkle Resonanz des Seelenraums, in dem das alles hin und her geworfen wurde, das Dauerdröhnen der Hoffnungslosigkeit. Er hörte den helleren Tinnitus. Er spürte außerdem Müdigkeit und eine grelle Todesangst, und irgendwann hatte er sogar Hunger.
    Nach sehr langer Zeit erhob sich Glabrecht, indem er einen Keil in die Stille trieb, die das Zimmer bis zur Decke füllte. Er öffnete den Sekretär und entnahm ihm die Grabschilder seiner Eltern vom Wiesbadener Nordfriedhof, trug sie derart fest in der linken Hand, als könne er sich vom Metall eine Klärung seiner Fragen erwarten, vielleicht sogar eine Erlösung.
    Später in der Nacht leitete er die Mail an Madlé weiter, aber der rief erst am kommenden Morgen an. »Die schlimmstmögliche Begründung, die es gibt«, sagte er. »Mein Lieber, du bist derart wunderbar, dass ich dich leider nicht verdiene und von dir fortgehen muss. Mit mir wärst du sowieso nicht glücklich geworden. Sei froh, dass ich nicht bei dir bin.«
    Der demütig hoffende Glabrecht hätte enttäuschter nicht sein können. Warum hatte der andere keine heilenden Worte für ihn? Warum ließ er ihn derart allein?
    Mit leiser Stimme, vorsichtig und umständlich erzählte er Madlé von den sexuellen Ausschweifungen dieser letzten Tage mit Adriana.
    »Hör mal, Glabrecht«, sagte Madlé, »Du redest wie ein Sozialpädagoge oder wie ein Pfarrer. Sie ist doch nicht deswegen heilig geworden, weil sie nicht mit dir zusammen sein will. Übrigens sind auch die anderen Frauen auf der Welt nicht heilig geworden. Adriana hat Geschlechtsteile, Titten und offenbar sogar ein Arschloch, auch wenn du diese Dinge jetzt hinter ihrer Seele verstecken willst. Und sie hat dich wohl, nachdem ihre Entscheidung gefallen war, als hervorragenden multifunktionalen Penetrator benutzt. Sie war bereits frei von all diesen weiblichen Beziehungsplänen. Dann lässt man sich, wenn ich dich gerade eben richtig übersetzt habe, auch mal tüchtig den Arsch versohlen beim Ficken, was vielleicht zu ihren alten unerfüllten Phantasien gehörte, – ohne sich um den Eindruck zu kümmern, den das auf einen zukünftigen Dauerpartner machen könnte. Eigentlich ist so etwas optimal, und eigentlich könntest du stolz darauf sein. Sie findet dich nachgewiesenermaßen extrem sexy. Wärst du bloß nicht so verliebt in sie, du romantischer Idiot. Du hättest wahrscheinlich noch lange Spaß mit ihr
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