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Die große Verschwendung

Die große Verschwendung

Titel: Die große Verschwendung
Autoren: Wolfgang Schoemel
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sich Dr. Fröhlich mal Gedanken machen!
    Die MO , die Sea-World , die Maritime Erlebniswelt , das ganze neue bremische Entertainment-Cluster, das alles musste auch im Zusammenhang mit der gemeinsamen Olympiabewerbung von Hamburg und Bremen gesehen werden. Man hätte in diesem Wettbewerb neue, starke Argumente. Gleichzeitig könnte Bremen gegen Hamburg punkten und sich touristisch in den Vordergrund spielen. Auch die Bewerbung um die Europäische Kulturhauptstadt im Jahr 2015 könnte man mit dem Großprojekt munitionieren.
    Bis diese ganze schlimme Saat tatsächlich aufginge, hätte Glabrecht hoffentlich einen Alterssitz an der Algarve oder sonst wo bezogen. Maximal noch eine weitere Amtszeit in Bremen, dann entweder ab ins Machtzentrum Berlin, – oder er würde von seiner Pension leben oder sowieso gestorben sein.
    Er hatte sich in Oslo den Scherz erlaubt, auf die Salzmengen hinzuweisen, die man ins Brackwasser der Weser schütten müsste, um das Meerwasseraquarium damit zu speisen. An dieses Problem hatten die Investoren allerdings längst gedacht: Frisches Salzwasser werde regelmäßig mit einem Tankschiff aus der Nordsee nach Bremen gebracht. Echtes Meerwasser! Überhaupt trügen die Norweger die Erstellungskosten für die Anlage weitgehend selbst, auch – was das Wichtigste war – achtzig von den angeblich benötigten zweihundert Millionen für die MO . Das war ihre große mäzenatische Leistung, die zweifellos in ganz Deutschland bestaunt werden würde.
    Dass der von den Investoren vorgelegte Kostenplan für die MO schöngerechnet war und das Projekt am Ende selbstverständlich viel teurer werden würde, das war jedem Beteiligten aus dem inneren Kreis klar. Glabrecht hatte, zum Vergleich, die realen Kosten verschiedener öffentlich geförderter Gebäude im Kopf, zum Beispiel des Anbaus der Kunsthalle oder der Halle 7 auf der Bürgerweide: Man musste kein Fachmann sein, um sofort zu wissen, dass die errechnete Investitionssumme für die Maritime Oper ein Witz war.
    Und ebenso klar war es, dass der Bremer Senat die Mehrkosten allein würde tragen müssen. Die Zuschüsse der Nordic Urban Development waren auf achtzig Millionen festgeschrieben. Diese Leute schwammen im Geld, das offenbar aus Internet-Wetten und Online-Casinos stammte, die das Mutterunternehmen betrieb, die Firma e-bets mit Sitz in Gibraltar.
    Die Maritime Oper würde sich über der Sea-World in Form eines Schiffsbugs erheben, der nach Norden, in Richtung Meer, weisen würde. In der Nachbarschaft sollte eine Marina für Yachten entstehen, nebst einem Kai für kleine bis mittelgroße Passagierschiffe. Außerdem gäbe es, im Süden der Bebauungsfläche, ein Fünf-Sterne Wellness Hotel, auch dies ein »kultureller Erlebnisraum«, um eine andere siegreiche Begriffsschöpfung zu erwähnen. Alle kulturellen Erlebnisräume zusammengenommen würden das besagte bremische Entertainment-Cluster bilden.
    Kultureller Erlebnisraum – das war einfach alles, was man wollte; und immer, wenn dieses geradezu ekstatisch blöde Wörterpaar aus den Mündern der Marketingexperten brach, bemerkte Glabrecht aufs Neue, dass bereits das bloße Wort »Kultur« der denkbar größte Sprachmüll überhaupt war, ein vollkommen inhaltsloser, aber mit diffuser Emphase besetzter Begriffsköder, den der Markt und die Politik auslegten, um beim Wähler und Konsumenten jeden beliebigen Zweck zu erreichen.
    All die geplanten kulturellen Erlebnisräume waren bereits auf vielen Folien PowerPoint -Präsentation zu sehen. Blendend weiße Kulturyachten dümpelten im Sonnenlicht, ebenfalls Kulturkreuzfahrtschiffe. Das Weserwasser war türkisblau, die MO strahlte messianisch wie aus sich selbst heraus, ein sensationeller Kulturanblick!
    Bremen, so sagte der Senat, würde hundertzwanzig Millionen zur Konzerthalle beitragen. Gegenleistungen für die mäzenatische Leistung der Investoren wären das gesamte Gelände für die erwähnten kommerziellen Projekte und seine baufertige Erschließung, außerdem die baurechtliche Genehmigung des Sea-Towers mit achtzig Luxuswohnungen direkt am Wasser, von zwanzigtausend Quadratmetern Verkaufsfläche sowie die unbeschränkte Lizenz für eine Glücksspielstätte. Dass dieses Casino in die Aquariumsanlage, in die Sea-World unterhalb der Maritimen Oper , integriert sein würde, dass es gerade durch die Haie und Rochen, die hinter zehn Meter hohen Acrylscheiben an den Roulettetischen vorbeischwämmen, seinen Reiz bekommen würde, – das hatte der Senat
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