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Die Grenzen der Solidarität - Haller, G: Grenzen der Solidarität

Die Grenzen der Solidarität - Haller, G: Grenzen der Solidarität

Titel: Die Grenzen der Solidarität - Haller, G: Grenzen der Solidarität
Autoren: Gret Haller
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Sarajevo.
    Schließlich wurde mir definitiv klar, daß das Phänomen, welches ich mir zunächst nicht hatte erklären können, auf die starke Präsenz der USA zurückzuführen war und auf die dominierende Stellung, welche sie innerhalb der Internationalen Gemeinschaft einnahmen. Nun begriff ich aber auch, daß die beobachtete Konzeptlosigkeit selbst ein Konzept darstellte. Die US-Amerikaner hatten nämlich oft keine genaue Vorstellung davon, was nach europäischem Verständnis ein funktionierender Staat war. Selbst agierten die Vereinigten Staaten als Staat, und zwar außenpolitisch bestens organisiert, dies konnten wir alle in Bosnien täglich erleben. Welches war dann ihr Konzept, das sie anstelle einer Staatskonzeption in die Waagschale werfen konnten oder wollten?
    Während der Tätigkeit in Bosnien beobachtete ich vieles, das mir diese Fragen später beantworten half. Am Ende meiner Mission konnte ich die Mosaiksteine schon zu einem recht klaren Bild zusammenfügen. Allerdings hatte ich mich während der Jahre im Balkan kaum mit publizierten Analysen transatlantischer Unterschiede befassen können, denn eine Tätigkeit in Sarajevo und Banja Luka im Nachkriegs-Bosnien spielt sich weder vorwiegend in Studierstuben noch in Bibliotheken |34| ab. So holte ich dies denn nach der Rückkehr aus Bosnien nach. Das Bild über die hier relevanten Unterschiede zwischen Europa und den Vereinigten Staaten habe ich somit einerseits durch persönliche Beobachtungen und andererseits durch nachträgliche Vertiefung gewonnen.

|235| Nachwort
    Noch vor Ausbruch der Kriege im Balkan schrieb Hagen Schulze 1990 die folgenden Zeilen: »Wenn Europa eine Zukunft haben soll, dann wird es unvermeidlich an das Europa der Vergangenheit anknüpfen müssen; in dieser Umbruchphase ist es Aufgabe der Historiker, die Identität Europas zu benennen, und die Aufgabe der Politiker und damit unser aller Aufgabe, das Bewahrenswerte vom Gefährlichen und Selbstzerstörerischen zu unterscheiden.« 238 Die Balkankriege haben in grausamster Weise erneut aufgezeigt, wie wichtig es ist, das Bewahrenswerte vom Gefährlichen und Selbstzerstörerischen zu unterscheiden. Die Recherchen für dieses Buch habe ich nach Abschluß meiner Arbeit in Bosnien begonnen, um Antworten zu finden auf die im Balkan aufgetauchten Fragen. Meine Beobachtungen vor Ort und die darauf gestützten Vermutungen genügten mir nicht. Auch heute sind für mich viele Fragen noch längst nicht befriedigend beantwortet. Dennoch schien es mir richtig, das bisher Erarbeitete in die Form eines Buches zu bringen. Die Aufgabe selbst, das Bewahrenswerte vom Gefährlichen und Selbstzerstörerischen zu unterscheiden, kann nur in einer breiten Debatte unter Europäerinnen und Europäern wahrgenommen werden, in welcher Erkenntnisse ausgetauscht, Gedanken formuliert und wieder verworfen werden, Schlußfolgerungen versucht und nach reiflicher Diskussion und Überlegung durch andere ersetzt werden, die den Beteiligten als noch richtiger erscheinen. In diesem Sinne kann ich mir nur erhoffen, auch vielfältig widerlegt zu werden, und zwar durch Analysen und Argumente, welche bessere Antworten geben auf die Fragen, deren Beantwortung ich für unumgänglich halte. Nur in letzterem werde ich mich nicht so leicht umstimmen lassen: Daß es nämlich im transatlantischen |236| Verhältnis Fragen gibt, deren Beantwortung keinen Aufschub erträgt.
    Ich hätte dieses Buch nicht schreiben können ohne die Unterstützung vieler Freundinnen und Freunde, Bekannter, Fachleute und Praktiker verschiedener Richtungen. Zunächst möchte ich all jenen danken, die es mir durch ihre Gesprächsbereitschaft ermöglicht haben, die Arbeit in Bosnien fast bis zum Ablauf der Amtszeit weiterzuführen – mein Rücktritt bereits während des letzten Amtsjahres erfolgte einerseits zur Sicherung der Nachfolge und andererseits, um es dem Nachfolger zu ermöglichen, über die erste fünfjährige Amtszeit hinaus für eine neue Rechtsgrundlage der Institution zu sorgen. Ich kann sie hier längst nicht alle erwähnen. Danken möchte ich Danielle Coin und Christos Giacoumopoulos, die im Rahmen des Europarates mit Bosnien befaßt waren und mir unzählige wertvolle Einsichten zum Thema dieses Buches vermittelten, sowie Victor Ruffy, langjähriges Mitglied des Nationalrates, dessen Präsident und Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, für seine Unterstützung in all diesen Jahren. Ein Gespräch in Sarajevo mit dem Historiker
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