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Die Gordum-Verschwörung

Die Gordum-Verschwörung

Titel: Die Gordum-Verschwörung
Autoren: Bernd Flessner
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fügte Greven hinzu, dem sein Vorhaben einfiel, auf seinen ermordeten Schulfreund das Glas zu erheben. „Trinkst du einen mit?“
    „Aber nur einen“, entgegnete Mona, „ich muss noch ein Bild für die Ausstellung fertig machen. Die werden langsam nervös in Emden. Leg du dich in die Wanne und entspann dich. Ich reib dir dann das Knie ein.“
    Im heißen Wasser lösten sich die Schmerzen auf wie das türkisblaue Badesalz, das Mona ihm verordnet hatte. Sie bestellte es regelmäßig bei einem besonderen Versand. Er betrachtete die Operationsnarben, die die Haut wie die Landschaft eines fremden Planeten aussehen ließ, wie die Oberfläche des Mars. Erst gestern hatte er im Fernsehen die Bilder der neuen Marssonde gesehen, die nun endlich und endgültig klären sollte, ob es auf dem roten Planeten Leben gab oder nicht. Lange Zeit hatte es nicht danach ausgesehen, doch jetzt machten sich die Wissenschaftler wieder Hoffnungen, wenigstens im Boden, tief im Boden, auf Mikroorganismen zu stoßen, auf Beweise einer Evolution auf dem Nachbarplaneten, die vor Milliarden von Jahren an einem Klimawandel gescheitert war. Die Oberfläche hatten sie längst für tot erklärt.
    In seinem Knie war jedenfalls noch Leben, auch wenn es nicht danach aussah. Acht Operationen hatten die Chirurgen im Klinikum Eppendorf benötigt, um aus dem zerschossenen Gelenk, aus Knorpeln, Knochensplittern und Titan wieder ein halbwegs funktionstüchtiges Knie zu machen. Dabei hatte er noch Glück gehabt, denn die Kugel, die sein Knie und seine Karriere zerschmettert hatte, hätte ihn genauso gut töten können. Angeblich hatte Martin Groote diese Kugel abgefeuert, ein gesuchter Waffenschieber und Parteispendenbeschaffer, der ihn um ein geheimes Treffen gebeten hatte. Angeblich, um einige Namen zu nennen und sich von dem ein oder anderen Verdacht reinzuwaschen. Doch Groote war am vereinbarten Ort und zur vereinbarten Zeit nicht erschienen. Statt seiner war die Kugel gekommen. Ohne Vorwarnung, schallgedämpft, professionell abgefeuert. Groote hatte sich daraufhin nach Kanada abgesetzt und war für die deutsche Justiz nicht mehr greifbar. Jedenfalls nicht so ohne weiteres.
    Von Anfang an hatte Greven nicht an diese Version des Tathergangs geglaubt, die ihm der ermittelnde Staatsanwalt aufgetischt hatte, und war froh, mit dem Leben davongekommen zu sein. Andererseits hatte er sich lange gegen eine andere Wahrheit gewehrt, hatte nicht wahrhaben wollen, was nicht belegbar war, bis Mona eines Tages offen aussprach, was seit dem Schuss in seinen Synapsen arbeitete: „Das war nicht Groote! Lass dir doch das nicht erzählen! Groote war nur der Köder. Du bist Weber zu nahe gekommen. Das ist alles. Du hast seine Parteikarriere gefährdet und seine obskuren Geschäfte. Weber hat dich aus dem Fall und in die Provinz schießen lassen.“
    Beweise für diese These ließen sich auch später nicht finden, aber er war tatsächlich humpelnd in der Provinz gelandet, in Ostfriesland, seiner alten Heimat, dem Nest, dem er entflohen war, weit weg von Hamburg, weit weg von Weber, MdB, GmbH & Co KG. Dafür landete nun jeder Suizid und jeder vielleicht nicht ganz korrekt Verstorbene auf seinem Schreibtisch. Ab und zu war auch schon einmal ein richtiger Mord dabei. Und Weber? Nach Grevens Abschied von der SK Bühler, die die Spuren von Webers harmlosen Ersatzteilen bis in den Irak verfolgt hatte, waren die Ermittlungen gegen den angesehenen Politiker eingestellt worden. Der Anfangsverdacht, so stand es in dem Bericht, habe sich nicht erhärten lassen, und somit gebe es keinen Anlass mehr für weitere Ermittlungen.
    Aber er war am Leben. Im Gegensatz zu Harm Claasen. Greven griff zum Grappaglas, das Mona für ihn auf einem kleinen Rollwagen neben der Badewanne platziert hatte. Sie besaß nicht nur elegante Designergläser, sie besaß auch eigenartige Möbel. Meist gebaut von Kollegen, die davon lebten, die Alltagswelt permanent neu zu erfinden. Eigentlich fand er Rituale wie dieses albern, das Glas erheben auf einen Toten, der weder mittrinken konnte, noch sonst etwas davon hatte. So ein Unsinn, dachte er, und hob sein Glas auf den Ermordeten, der einmal, vor vielen Jahren, sein vielleicht bester Freund gewesen war.
    Greven hatte ihn lange für einen Talentvergeuder gehalten, für einen, der im Leben nichts erreicht und nichts bewegt hatte, für einen, der sich treiben ließ, der sich damit begnügte, auf der Stelle zu treten, anstatt auf ein Ziel zuzuschwimmen. Doch heute
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