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Die Gordum-Verschwörung

Die Gordum-Verschwörung

Titel: Die Gordum-Verschwörung
Autoren: Bernd Flessner
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vollständig zerstört, ein Loch klaffte an ihrer Stelle im Deck. Auch das Friesenidyll war den Flammen zum Opfer gefallen; Löschwasser und die verkohlten Reste des so mühevoll gezimmerten Interieurs bildeten zusammen mit den Überresten der Platten, der Karten und der Bücher eine grauschwarze, stinkende Brühe, die durch die nun von oben einsehbare Kajüte schwappte. Takelage und Segeltuch klebten in schwarzbraunen Fetzen am Mast, den die Flammen trotz aller Wut nicht hatten kappen können.
    Der Hafenmeister hatte das Feuer auf einem seiner frühmorgendlichen Rundgänge entdeckt, doch hatte die Feuerwehr lange gebraucht, um mit ihren Schläuchen bis zum Anleger des Yachthafens vorzudringen. Auch die beiden Nachbarboote waren in Mitleidenschaft gezogen worden. Inzwischen waren die Uniformierten damit beschäftigt, die Schläuche wieder zu bergen. Penetranter Brandgeruch schlug Greven und Häring entgegen, als sie das Wrack in Augenschein nahmen. Häring hielt sich ein Stofftaschentuch vor den Mund. Greven hatte zuletzt als Konfirmand eines besessen und griff auf den Ärmel seines Baumwollhemdes zurück.
    „Was meinst du?“
    „Ich tippe auf Brandstiftung“, antwortete Häring. „Der oder die Täter sind in der Nacht zum Tatort zurückgekehrt und haben, um ihre Spuren zu verwischen, Feuer gelegt. Da gehe ich jede Wette ein.“
    „Ich stimme dir ausnahmsweise einmal zu“, näselte Greven in seinen Ärmel. „Und was ist mit deiner Theorie vom zufälligen oder spontanen Raubmord?“
    „Nun“, zögerte Häring, „die kann ich wahrscheinlich vergessen, denn wenn ich noch ein bisschen weiter gehe, dann liegt der Verdacht nahe, dass der Täter den Kutter noch einmal gründlich durchsucht hat, bevor er Feuer legte. Er wollte nicht nur die alten, uns bekannten Spuren vernichten, sondern auch seine neuen.“
    „Er hat also doch etwas Bestimmtes gesucht“, sprach Greven mehr zu sich und seinem Hemd als zu seinem Mitarbeiter.
    „Wenn das stimmt, was könnte es gewesen sein?“, fragte Häring. „Was hatte Claasen an Bord, das jemanden dazu verleiten konnte, zweimal einzubrechen, einen Mord zu begehen und den Kutter anzuzünden?“
    „Das ist hier die Frage“, brummte Greven, der das Gewicht der Münze in seiner Hosentasche zu spüren glaubte. „Wüssten wir es, wären wir ein gutes Stück weiter. Doch das Feuer hat bestimmt die meisten Spuren vernichtet, und das war ja auch wohl der Sinn der Übung. Lass trotzdem Hansen mit seinen Leuten anrollen. Vielleicht finden sie ja doch noch etwas. Und dann werden wir uns intensiv mit Harm Claasen befassen. Erstens ist er im Moment ohnehin unser einziger Ausgangspunkt, und zweitens ist er offenbar nicht ganz zufällig besucht und getötet worden. Also los: Rekonstruktion seiner letzten Tage und Stunden, Befragung von Freunden und Bekannten, seine Kunden, seine Feinde. Das ganze Programm. Wir sehen uns spätestens um 14 Uhr zu einer vorläufigen Zwischenbilanz hier im Hohen Haus . Nimm Ackermann und Jaspers mit. Und ruf Möller an, ob der uns schon etwas sagen kann.“
    „Und du?“
    „Ich werde dem alten Ysker einen Besuch abstatten. Der kennt den Hafen wie kein anderer. Vielleicht hat der etwas gehört. Außerdem muss ich noch in einer dringenden Angelegenheit nach Emden“, antwortete Greven, warf seinem Assistenten einen Blick zu, der keinen Widerspruch duldete, und ging zurück zum Wagen. Dort erst bemerkte er, dass sein Hemd, seine ganze Kleidung den Brandgeruch aufgesogen hatte. So hatten seine Hemden früher auch immer gerochen. Du stinkst, hatte seine Mutter oft gemeckert, du stinkst nach Rauch. Und ich darf schon wieder alles waschen. Könnt ihr nicht mal was anderes machen?
    Er zog seine Brieftasche aus der Innentasche seiner Jacke, die er im Wagen gelassen hatte, fingerte die gefaltete Zeichnung heraus und betrachtete sie mehrere Minuten lang. Schade, dachte er, dass Harms Leiche nicht an Bord war. Ein Wikingerbegräbnis wäre sicher in seinem Sinn gewesen. Allerdings hätte man dann seinen Kutter auf See schleppen müssen.
    Der alte Ysker war Anfang achtzig. Zwar fuhr er nicht mehr als Kapitän zur See, diesen harten Job hatte längst sein Sohn übernommen, aber ab und zu war er immer noch mit seinem Kreier unterwegs. Mit diesem einmaligen friesischen Fahrzeug, das einem Schlitten mit flachem Boden gleicht, kann man sich gefahrlos ins Watt begeben, um Reusen aufzustellen oder mit der Hand in Prielen Butt und Seezunge zu fangen. Der alte Ysker hatte trotz
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