Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Göring-Verschwörung

Die Göring-Verschwörung

Titel: Die Göring-Verschwörung
Autoren: Achim Müller Hale
Vom Netzwerk:
  – Sie sitzen darin wie in einem Hotelsalon. Sie werden gar nicht mehr merken, dass Sie fliegen.«
    Er hatte eine feste, recht angenehme Stimme, anders als der gestikulierend schreiende Hitler aus den Wochenschauaufnahmen. Überhaupt wirkte er aus der Nähe unspektakulärer. Seine Schultern hingen nach vorne und ausgeprägte Tränensäcke ließen ihn müde aussehen. Clarson schüttelte innerlich den Kopf. Dieser höflich auftretende Herr mit seinen runden, weichen Zügen war der gleiche, den das Time Magazine gerade zum Mann des Jahres erkoren hatte   – weil er der Schrecken der freien Welt war und eine Bedrohung für den Frieden in Europa.
    Mit weit geöffneten Augen starrte Hitler ihn an, schüttelte mit festem Druck seine Hand und legte ihm die Linke auf den Oberarm.
    »Es freut mich außerordentlich, Sie kennenzulernen. Dr.   Goebbels hat mir von Ihnen erzählt. Hochinteressant.«
    Clarson hatte keine Ahnung, welche Geschichte der etwas nervös dreinblickende Goebbels über ihn erfunden hatte und entschied, die Andeutung zu übergehen. »Ich bin sehr froh, hier zu sein«, brachte er stattdessen heraus.
    Der Rest der Abendgesellschaft schloss sich dem Begrüßungsreigen an und schüttelte ihnen höflich korrekt die Hände. Zwei zusätzliche Sessel wurden hereingetragen. Hitler bat Ariane und Clarson an seine Seite. Er knöpfte sein Jackett wieder auf und ließ sich in den tiefen Klubsessel zwischen Magda und Ariane fallen.
    »Sie sind Filmschauspielerin?«, begann er eine Unterhaltung, während sich die Übrigen neu um ihren Führer gruppierten.
    »Nicht beim Film. Nur auf der Bühne«, lächelte Ariane bescheiden. Sie war die perfekte Schauspielerin.
    »Das Theater ist die hohe Schule der Schauspielkunst«, erläuterte Hitler. »Der direkte Kontakt mit dem Publikum ist einfach unersetzlich. Doch das Kino wird die Schauspielerei grundlegend ändern. Kleine Amateurtheater werden es in Zukunft schwer haben, jetzt wo wir Lichtspielhäuser in jedes Provinznest bringen. Die großen Bühnen werden natürlich erhalten bleiben. Dafür werde ich sorgen. Gar nicht auszudenken, wenn ich in meiner Jugend in Wien Theater und Oper nicht gehabt hätte.«
    Er war in aufgeräumter Laune und bediente sich genüsslich am bereitstehenden Kaffeegebäck. Die anderen Gäste taten es ihm gleich, beäugten ansonsten die Neuankömmlinge interessiert und trugen freundliche Mienen zur Schau.
    »Wien ist wieder eine deutsche Stadt«, fuhr Hitler mit halbvollem Mund fort. »Die Habsburger hatten mit ihrer irregeleiteten Politik der Toleranz das einst blühende Haupt des alten Reiches dem Verfall preisgegeben. Aber trotz der schleichenden Unterwanderung durch Ostvölker hatte sich Wien seinen deutschen Kern bewahrt und wir haben nur kleine Schnitte vornehmen müssen, um der Stadt wieder Frischluft zu verschaffen. Sie wird unser Tor zu Balkan und Orient sein.«
    Clarson neigte kurz den Kopf zur Seite, um ein Gefühl der Beklemmung abzustreifen, das ihn bei dem Gedanken beschlich, mit Adolf Hitler und seinen Spießgesellen bei einem Kaffeekränzchen zu sitzen. Der deutsche Diktator entspannte hier, indem er seine Umgebung endlosen Monologen aussetzte, in denen er wahllos von Thema zu Thema sprang. Mit seinen rosa Wangen wirkte er dabei fast wie ein Onkel vom Lande, den man aus Höflichkeit nicht in seiner Mitteilungsbegierde bremsen mochte. Macht, diese Erfahrung hatte Clarson schon bei seinen Begegnungen in der Londoner Gesellschaft gemacht, wirkte aus der Nähe betrachtet stets kleiner und trügerisch harmlos.
    Die übrigen Männer lauschten routiniert den Ausführungen ihres Führers, zufrieden mit ihrer Rolle als Auditorium eines Egomanen. Auch Göring verhielt sich still und thronte verdrossen in seinem Sessel.
    Eine Ordonnanz trat diskret an die einzelnen Gäste heran und erfragte Getränkewünsche. Clarson ließ sich aus einer Karaffe den schottischen Whisky des Hauses einschenken. Er vertraute darauf, dass Goebbels bei der Auswahl von Spirituosen über einen ebenbürtigen Geschmack verfügte wie bei der Einrichtung seiner Wohnräume.
    »Ein Staat ohne entschlossene Führung«, Hitler, nun bei einem seiner Lieblingsthemen angelangt, machte eine wegwerfende Handbewegung, »ein Reich, das seine rassische Grundlage negiert, ist dem Untergang geweiht. Wir sehen es immer wieder in der Geschichte. Auch Britannien ist im Niedergang begriffen und die derzeitige Führung ist dabei, das Empire zu verspielen. Die indische
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher