Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Göring-Verschwörung

Die Göring-Verschwörung

Titel: Die Göring-Verschwörung
Autoren: Achim Müller Hale
Vom Netzwerk:
unter ihnen und nachdem sie in die Nacht geflogen waren, starrte er durch das Fenster in die Dunkelheit. Mehrere Male ließ er die zurückliegenden Wochen vor seinem inneren Auge ablaufen und es gelang ihm schließlich, sich zu überzeugen, dass der wahre Charakter ihrer Reise unentdeckt geblieben war. Das unbehagliche Gefühl in seinem Nacken wollte dennoch nicht verschwinden.
    Er war froh, den Ruck zu spüren, als die Räder der Junkers nach fünf langen Stunden endlich auf der Landefläche von Berlin-Tempelhof aufsetzten. Noch während sie auf die Flughafenhalle zurollten, griff Clarson nach dem Stock aus Ebenholz, erhob er sich mit dessen Hilfe und gab seiner Frau einen flüchtigen Kuss. Ariane hatte eine heitere Miene aufgesetzt, als seien sie an einem Urlaubsort angekommen. Er entschied sich, ihre gute Laune mitzuspielen.
    Am Ausgang quälte er sich die kleine Treppe herab, während er mit der Rechten seine Augen vor dem grellen Licht der Scheinwerfer zu schützen suchte, die die Maschine vom Dach einer schier endlos langen Flughafenfassade anstrahlten. Die Goebbels’sche Propaganda pries den unlängst fertiggestellten Komplex aus Hangar und Haupthalle stolz als das flächengrößte Gebäude der Welt.
    Einziger Schmuck des Ankunftsfoyers war ein übel gelaunter Adler mit Hakenkreuz in den Fängen, der in Form eines riesigen Bronzereliefs von der ansonsten kahlen Wand grüßte. Clarson gefiel die Leere des Raumes. Keine Abordnung der Polizei, die sie erwartete, keine dubiosen Herren in dunklen Mänteln mit Gestapo-Ausweisen, die um ein Gespräch baten.
    Ein müde dreinschauender Wachposten in dunkelgrüner Uniform stand am Eingang zur Passkontrolle und ließ die Passagiere einzeln eintreten. Mit ihren Ferragamo-Absätzen über den polierten Marmorfußboden balancierend, ging Ariane voraus in die enge Passage mit einem Kontrollschalter zur Linken und schob ihren Reiseausweis mit Hakenkreuz auf dem Umschlag über den Tresen. Der diensthabende Beamte nahm ihn zwischen seine grobschlächtigen Hände und schaute zunächst das Foto, dann Ariane intensiv an. Während er die Papiere durchblätterte, nickte sein großer kurzgeschorener Schädel ein paarmal, und schließlich notierte er, der Vorschrift für alle Einreisenden folgend, die Passnummer auf ein Formblatt.
    »Angenehmen Aufenthalt«, sagte er tonlos, ehe er mit einer misslaunigen Kopfbewegung dem Wachposten am Eingang seine Bereitschaft anzeigte, einem weiteren Passagier eine kurze Audienz zu gewähren. Clarson unterbrach den Kampf gegen einen winzigen Fleck auf dem Ärmel seines Mantels und hinkte an den Schalter. Der Beamte studierte kurz das Wappen Seiner Majestät auf dem Pass, schaute an ihm herab, sah den Gehstock, verzog das Gesicht und vertiefte sich in die Einreiseunterlagen. »Nehmen Sie den Hut ab!«
    Clarson gehorchte.
    »Wie ist ihr Name?«
    Sie haben ihn gerade gelesen , war er versucht zurückzugeben.
    »Henry Charles Clarson«, sagte er stattdessen.
    »Ist dies Ihr erster Aufenthalt im Reich?«, fragte der Beamte, durch Clarsons Pass blätternd.
    »Ja, in der Tat.«
    »Dauer Ihres Aufenthalts?«
    »Unbestimmt. Das Visum gilt für drei Monate.«
    Nun schaute der Beamte auf.
    »Sie befinden sich jetzt auf dem Hoheitsgebiet des Großdeutschen Reiches. Wir sind es hier gewohnt, dass unsere Fragen beantwortet werden, und zwar vernünftig. Ihr Visum habe ich selbst gesehen. Ich frage Sie noch einmal: Wie lange beabsichtigen Sie, das deutsche Volk mit Ihrer Anwesenheit zu beehren?«
    »Möglicherweise auf Dauer«, gab Clarson zurück, dem stechenden Blick seines Gegenübers mit Mühe standhaltend.
    »Ach ja? Und was ist der Zweck Ihres Aufenthaltes?«
    Clarson kratzte sich die Schläfe unterhalb der Hutkrempe. Das war schwer zu sagen. »Verwandtenbesuch«, gab er schließlich zu Protokoll.
    »Soso, wer sind denn diese Verwandten, die Sie möglicherweise auf Dauer besuchen wollen, bitte schön?«
    Clarson ließ einen Augenblick verstreichen und sagte mit dem Anflug eines Lächelns: »Meine Schwägerin Magda Goebbels.«
    Es verfehlte seine Wirkung nicht. Als Ehefrau von Joseph Goebbels, dem Reichspropagandaminister und engen Vertrauten des unverheirateten Hitler, war Magda praktisch die erste Frau des Reiches. Von ihrem Ehemann wirkungsvoll in Szene gesetzt, erschien sie, zum Idealbild einer nationalsozialistischen Mutter stilisiert, häufig in der Presse und war den Deutschen wohl vertraut.
    Der Beamte wandte seinen Blick von Clarson ab und musterte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher