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Die Göring-Verschwörung

Die Göring-Verschwörung

Titel: Die Göring-Verschwörung
Autoren: Achim Müller Hale
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Ariane, die am Ausgang des Korridors wartete. Einen Moment lang schien er unsicher, dann spannte er seine Schultern, griff nach einem Stempel und hämmerte ihn in Clarsons Pass. Er zeichnete die Visabescheinigung ab, entnahm einen Durchschlag, legte das Papier korrekt in den Pass ein, reichte Clarson die Unterlagen und presste sich ein Lächeln ab: »Heil Hitler, Herr Clarson. Willkommen in Berlin!«

2
    Die Haupthalle roch nach frischer Farbe und ähnelte mit ihren schmalen, hohen Fenstern und marmorverkleideten, rechteckigen Seitenpfeilern einer kolossalen kubischen Kathedrale. Sie war bei weitem zu groß für das gegenwärtige Ausmaß an Flugbetrieb. Es war ein Bau, der in die Zukunft wies. In eine Zukunft Berlins als Zentrum eines Weltreiches.
    Gleich einer Hydra, der man das Haupt abgeschlagen hatte, bloß um zu erleben, dass an dessen Stelle zwei neue Köpfe wuchsen, war Deutschland nach dem großen Krieg zurück auf der Weltbühne erschienen. Wenig mehr als ein Jahrzehnt hatte es den Völkern Ruhe gegönnt, dann war ein absonderlicher Österreicher an seine Spitze getreten und innerhalb von nur sechs Jahren hatte sich das wirtschaftlich am Boden liegende Land mit seiner winzigen Armee in einen hochgerüsteten Moloch verwandelt, der begonnen hatte, seine Nachbarländer zu verschlingen. Wie im Bann hatte die Völkergemeinschaft zugeschaut, wie das Reich mit jeder seiner Vertragsverletzungen stärker wurde   – und gieriger.
    Bunte Werbetafeln mühten sich, die Leere des Monumentalbaus zu überspielen. Eines der Plakate warb mit dem Bild des neuen Ford Taunus für die zurzeit in Berlin stattfindende Internationale Automobilausstellung. Auf anderen sah man glückliche Menschen auf Dampferschiffen der staatlichen Freizeitorganisation Kraft durch Freude , der Verheißung des Regimes auf Urlaubsreisen für jedermann.
    Clarson drückte seine Frau an sich. Die Auslandsabteilung des SD, der ihn als Neu-Verwandten eines Reichsministers observiert haben dürfte, hatte, wie es aussah, nicht Lunte gerochen. Stattdessen war vielleicht ein Dossier in die Berliner Zentrale gefunkt worden, das ihn als harmlosen Privatmann ohne politische Ambitionen beschrieb. Im Prinzip hätte man damit nicht ganz falsch gelegen.
    Die Komödie von ihren Auswanderungsplänen, die sie in den letzten Wochen in London inszeniert hatten, war offenbar nicht umsonst gewesen. Die Führung des Geschäfts, in dem er bis Anfang des Jahres die Einzelanfertigung von Luxusmöbelstücken beaufsichtigt hatte, die zu Preisen kleiner Landhäuschen begierige Abnehmer unter den Lords und Wirtschaftsbaronen des Empires fanden, hatte er endgültig den Händen des Stiefbruders anvertraut.
    Getrieben vom Hunger des mittellosen Einwanderers nach gesellschaftlicher Anerkennung hatte der Vater vom Tag seiner Einheirat in die Familienmanufaktur an in niemals nachlassendem Ameisenfleiß sichergestellt, dass kein Haus in London, das etwas auf sich hielt, ohne eine Frisierkommode oder einen Sekretär aus den eigenen Werkstätten blieb. Sein Leben in Klubräumen und Gesellschaftssalons zubringend und unablässig am Geflecht seiner Geschäftskontakte strickend, war es ihm sogar gelungen, das Haus Seiner Majestät als Kunde zu gewinnen, der ultimative Ritterschlag für jedweden Produzenten. Auf dem Weg zu diesem erstaunlichen Erfolg hatte sich sein Ehrgeiz zu einer Sucht gesteigert und die sanften Seiten seines Wesens nach und nach aufgefressen.
    Die Bezeichnung Möbel war dabei in der Familie zu Lebzeiten der Mutter, deren Großvater das Unternehmen einst gegründet hatte, regelrecht verpönt geblieben. Sie hatte in ihren Kommoden weniger Gebrauchsgegenstände denn architektonische Miniaturen gesehen und, Clarsons Spott zum Trotz, von ihnen wie von Werken antiker Baukunst geschwärmt. Nach ihrem Tod hatte sein alter Herr, wie von einer Altlast befreit, die Möglichkeit einer erneuten Eheschließung genutzt, um die nächste Stufe der Gesellschaftspyramide zu erklimmen, und eine zwar verschuldete, doch aristokratische Witwe geehelicht.
    Der Baron of Cromford, als Clarsons neuer Stiefbruder nun Teil der Familie, entsprach ganz dem Geschmack des Vaters. Auch er betrachtete das Geschäft als eine erbitterte Jagd auf Rendite in einer Zeit, in der ein Adelstitel alleine seine Position in der Londoner Gesellschaft nicht mehr zu sichern vermochte und ein herrschaftliches Anwesen in der Provinz einzig noch als kostspieliges Prestigeobjekt herhielt.
    Als im letzten Herbst eine
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