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Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 05 - Die Meisterschaft der Glasmalerin
Autoren: Mindy L. Klasky
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Holz, als wäre sie mit seiner Oberfläche verwurzelt. Ihre Kehle war trocken von alledem, was sie gesagt hatte, von all den Lektionen, die sie von ihrer Kunst weitergegeben hatte. Sie füllte ihre Lungen mit einem tiefen Atemzug und atmete langsam wieder aus. Und wieder. Und wieder.
    Und sie zwang sich, die Augen zu öffnen. Sie zwang sich, sich auf den Gaukler zu konzentrieren, der ihr gegenübersaß.
    Er betrachtete sie einen langen Moment schweigend, und dann hob er eine Hand, um die Haarlocke zurückzustreichen, die sich hinter ihrem Ohr gelöst hatte. »Danke für die Hypnose«, sagte er. »Du bereicherst deine Gaukler über die Maßen.« Sie war sich nicht sicher, ob er sie aufzog, bis er sehr ernst sagte: »Du bist bereit. Ich werde dich allein lassen.«
    »Tovin, nicht!« Sie war überrascht über die Verzweiflung in ihrer Stimme.
    »Ich komme zurück, Ranita. Wenn du mich am wenigsten erwartest, werde ich in Moren einreiten. Meine Gaukler und ich werden neue Geschichten zu erzählen, neue Stücke zu spielen haben. Wir werden dich und deinen Ehemann und deine Kinder tage- und wochen- und monatelang unterhalten.«
    Sie ergriff die Hand, die an ihrer Wange verweilte, trotz der Heiterkeit seines Tonfalls verweilte. Ehemann. Wer war sie, dass sie heiraten wollte? Tovin war der einzige Mann, der sie haben wollte, und er ging fort. Tovin oder Crestman. Sie erschauderte, als sie an den Soldaten dachte, erschauderte, ohne nachzudenken. Sie sagte rasch: »Es tut mir leid, Tovin.«
    »Mir nicht.« Er lächelte, und sie dachte, seine sanfte Heiterkeit könnte real sein, wäre vielleicht nicht das Produkt seiner Schauspielkunst. »Du warst gut für mich, und ich war gut für dich, aber nun sind wir erwachsen. Du hast ein Leben hier in der Stadt, und ich habe eines auf der Straße.«
    Sie war sich bewusst, dass sie einander schon früher verlassen hatten, dass ihr Herz bei seinen vorangegangenen Abschieden gebrochen war. Dieses Mal schienen seine Worte jedoch richtig. Sie schienen wahr. Da erwiderte sie sein Lächeln, streifte seinen Mund mit ihrem. »Ich danke dir, Tovin Gaukler. Ich danke dir für alles, was du mich gelehrt hast.«
    Er umarmte sie rasch, und dann trat er zur Tür des Turmraums. »Gebrauche es gut, Ranita Glasmalerin. Vollende deine Arbeit hier, und mache diesen Gaukler stolz.«
    Rani wandte sich wieder dem Tisch vor ihr zu und hielt nur einen Moment inne, bevor sie den Eimer mit Tünche anhob und die leere, bereite Oberfläche zu bedecken begann.
    Rani atmete tief ein, bevor sie das Seitenschiff der mächtigen Kathedrale hinabging. In den Monaten seit dem Niedergang der Gefolgschaft war Schutt fortgeräumt worden – zerbrochenes Glas, verbogenes Blei, zerbröckelte Steinstreben. Die wuchtige Halle war gesäubert, aber noch nicht wiederaufgebaut worden. Diese Arbeit stand noch bevor. Diese Arbeit könnte ein Leben lang dauern.
    Mit jedem Schritt erinnerte sie sich an Zeiten, als sie ebenfalls in diesem Gebäude gewesen war: in ihrer Kindheit, als sie, umgeben von Geschwistern, neben ihrer Mutter und ihrem Vater stand, am Festtag von Hern, dem Gott der Händler.
    Sie hielt inne, wartete darauf, dass sich Herns salziger Geschmack auf ihrer Zunge ausbreitete. Sie konnte sich an seinen Geschmack erinnern, sich ebenso deutlich daran erinnern wie an den ersten Kinderreim, den sie je gelernt hatte. Nun hielt der Gott der Händler jedoch Abstand und ersparte ihr seinen Geschmack, ließ sie sich auf ihre gegenwärtige Mission konzentrieren.
    Sie ging an den Seitenkapellen der Kathedrale vorbei, ignorierte die Menschenmengen, die das geräumige Hauptschiff erfüllten. Sie wusste, dass der Tag zum Festtag aller Kasten erklärt worden war, nicht nur der Gildeleute, die sie repräsentierte. Hal hatte befohlen, dass Mandelkekse unter den Unberührbaren und Wein unter den Soldaten verteilt werden sollte. Händlern wurden für alle an diesem Tag getätigten Käufe die Steuern erlassen, und Adlige waren an diesem Abend zu einem Festessen in den Palast eingeladen.
    Wind kam auf, und Rani war dankbar für das Hermelingewand, das ihre Schultern bedeckte. Es war ein Geschenk von der Gilde der Pelzhändler gewesen, ein schönes Symbol dafür, dass sie bald wieder in ihre erwählte Kaste zurückkehren würde. Sie hatte das Kleidungsstück dankbar angelegt, sowohl wegen seiner Wärme als auch wegen der symbolischen Anerkennung.
    Während sie dahinging, hörte Rani die geflüsterten Spekulationen in der Menge lauter werden.
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