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Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Autoren: Mindy L. Klasky
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nicht vom uralten Heiligen Vater. Es war ein jüngerer Mann, ein Mann mit schneidender Stimme. Rani wusste, dass sie diese Stimme schon früher gehört hatte. Sie wusste, dass sie dem Sprecher schon begegnet war. Sie wollte sich zu Farsobalinti umwenden, um nach dessen Identität zu fragen, als die Tür zum Innenraum aufgestoßen wurde.
    »Herr«, keuchte ein Knappe, »der König verlangt zu wissen – Lady Rani!« Der Junge brach seine atemlose Frage ab und verbeugte sich rasch. »König Halaravilli fordert zu wissen, wo Ihr seid.«
    »Ich bin hier, Orsi, und warte gerade darauf, dass du meine Anwesenheit ankündigst.« Rani bedauerte ihren schnippischen Tonfall, als der Junge verwirrt wirkte. Der Knappe war immerhin einer von Hals Cousins, tatsächlich der Erbe des Königs. Es wäre nicht richtig, das Kind zu hänseln. Rani blickte Bestätigung suchend zu Mair. »Wollen wir?«
    »Geh nur«, sagte Mair, und ihr Lächeln galt allein Farsobalinti. »Der König hat nach dir gefragt, nicht nach einem dunkelhaarigen Unberührbaren-Mädchen.« Rani schnaubte fast. Der junge Edelmann wartete nicht einmal, bis sich die Innentür geschlossen hatte, bevor er sich näher an Mair heranmachte. Ranis Magen hob sich, als sie beobachtete, wie Mair eine Hand hob, um das Trauerband des Adligen zu richten, aber sie zwang sich, das Bild von Mairs Fingern auf dem festen Arm des Mannes und von Farsos zunehmendem Lächeln zu verdrängen. Rani hatte keine Zeit, darüber zu spekulieren, was das Paar im Dunkeln tat.
    Stattdessen konzentrierte sie sich auf den Raum vor ihr. Orsi – Orsomalanu, erinnerte Rani sich – hielt ihr die Tür auf. Der Junge räusperte sich, bevor er seinen Lehnsherrn ansprach. »Euer Majestät.« Hal sah erwartungsvoll auf, und der Knappe verbeugte sich vor seinem König und den bei ihm befindlichen geistlichen Prälaten. »Heiliger Vater, Euer Gnaden. Lady Rani ist da.«
    Hal tat die wenigen Schritte zu Rani, und seine dunklen Augen registrierten augenblicklich den einzelnen Rubin um ihren Hals. Sie errötete, als sie sich daran erinnerte, wie er ihr den Stein geschenkt hatte, ihn ihr am Ende des Sommers zur Feier ihres achtzehnten Geburtstags überreicht hatte. Er hatte darauf bestanden, dass sie ihn tragen sollte, und sie hatte seine Finger an ihrer Haut gespürt, warm und trocken. Er hatte sich mit dem Verschluss zu schaffen gemacht, und sie hatte gespürt, wie der Rubin vorne ihr Gewand hinabzugleiten begann. Sie hatte ihn aufgefangen, bevor er davonglitt, und sie hatten beide unbeschwert, mit einem Wohlgefühl, gelacht.
    Nun wirkte Hal, als würde er nie wieder lachen. In den fünf Jahren, seit er den morenianischen Thron bestiegen hatte, war Hal zu einem Mann herangewachsen. Er war einen vollen Kopf größer als Rani, und während des vergangenen Winters waren seine Schultern breiter geworden, nachdem er jeden Tag mit Breitschwert und Schild seine Kampfübungen durchgeführt hatte.
    Ein halbes Jahrzehnt Regierungszeit hatte den König auch noch auf andere Arten reifen lassen. Rani konnte dunkle Schatten unter seinen braunen Augen erkennen, Spuren der Schlaflosigkeit, die anzeigten, dass er unter der letzten Katastrophe litt, die seine Stadt getroffen hatte. Seine Wangen waren eingesunken, und die Knochen staken unter seinem ungebärdigen, kastanienbraunen Haar hervor. Hal trug weiterhin die schwarze Trauerkleidung, die er am Tag nach dem Feuer angelegt hatte, und Rani fragte sich, ob Farso mit Hal gestritten hatte, damit er die edelsteinbesetzte Krone auf seine Stirn setzte. Hal trug selbst in seinen besten Zeiten lieber nur ein dünnes, goldenes Diadem, eine flüchtige Erinnerung an den Status, der sich, wie er beharrte, eher in Worten und Taten denn in Edelsteinen erwies.
    Dennoch passte die Krone, die Hal an diesem Abend trug. Sie war aus ineinander verflochtenen Js gewoben: Der Buchstabe J stand für Jair, den Begründer der königlichen Familie und den Pilger, der den Glauben an die Tausend Götter in Morenia eingeführt hatte. Die Krone passte zu der schweren Amtskette, die um seinen Hals hing, dem einzigen Schmuck, der auf seinem Trauersamt ruhte. Sowohl die Krone als auch die Kette enthielten in den von jedem J gebildeten Rundungen Ansammlungen von Perlen und Rubinen. Hal hatte sie getragen, als ihm sein religiöser Titel verliehen worden war, ein Amt, das parallel zu seiner weltlichen Krone bestand. Hal war der Verteidiger des Glaubens. Er hatte diese Aufgabe in den Wochen nach Besteigung des
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