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Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 03 - Die Wanderjahre der Glasmalerin
Autoren: Mindy L. Klasky
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dann soll ein Glasmaler von seiner Gilde und der ganzen Welt als Geselle anerkannt werden.

    Rani hatte den Text so viele Male gelesen, dass sie die Worte auswendig kannte, wobei sie sich gegen die Sehnsucht wehrte, die in ihrer Brust aufwallte. Sie war einst Teil einer vollständigen Gilde gewesen – Lehrlinge, Gesellen, Meister –, die alle auf ein gemeinsames Ziel hingearbeitet hatten. Nun war sie die einzige Glasmalerin in ganz Morenia. Sie musste sich selbst beweisen, dass sie bereit war, weiterzumachen, dass sie bereit war, den Titel der Gesellin zu beanspruchen. Sie musste beweisen, dass sie bereit war, den Wiederaufbau der Glasmalergilde voranzutreiben.
    Immerhin würden wohl keine anderen Glasmaler ihr Schicksal Morenia anvertrauen. Nicht nachdem die eigene Gilde des stolzen Königreichs zerstört worden war. Nicht nachdem ihre Gildehalle Stein für Stein niedergerissen worden war. Nicht nachdem ihre Meister und Gesellen und Lehrlinge hingerichtet oder verstümmelt und die vermeintlich Glücklichen nur mit Narben und verstümmelten Händen als Zeichen ihrer Ergebenheit weit von Morenia fortgezogen waren. Wenn Rani die Glasmalergilde wieder aufbauen wollte, würde sie allein beginnen müssen, um die Albträume der Vergangenheit zu überwinden.
    Und so begann Rani, sogar nach dem Feuer, jeden Tag damit, die Ermahnung des Buches zu lesen, als würden ihr angesichts des Unheils Morens die Worte allein zum Erfolg verhelfen. An diesem Morgen hatte sie mit der Arbeit an einem neuen Fenster begonnen, einem Fenster, das die Feuerkatastrophe abbildete. Sie versuchte noch, sich für eine Strategie beim Schneiden der Stücke, zu entscheiden – lange Zungen Rot und Gelb und Orange, Farbstreifen, um der Flammen zu gedenken, welche die ihr bekannte Welt für immer verändert hatten. Sie würde Morens Zerstörung in Glas verewigen, die Erinnerungen aus ihrem Geist verbannen und ihren Anspruch aufxien Titel der Gesellin festigen…
    Sie besaß noch nicht das Können, die langen, schwungvollen Stücke zu schneiden. Stattdessen würde sie daran arbeiten, das Glas abzutönen, aus klarem Glas und Silberfärbung das Gelb und Orange zu erschaffen. Sie musste die richtige Menge Gummiarabikum für die ätzende Mischung herausfinden. Sie ächzte leicht, als sie nach einem bleigeprägten Buch griff, dem ersten Schatz, den Davin ihr geschenkt hatte. Diese Abhandlung enthielt fast alles, was sie über die Glasherstellung wissen musste, fast alles, was sie sich in den drei Jahren selbst beigebracht hatte, seit sie aus Amanthia zurückgekehrt war.
    Aus Amanthia, wohin sie entführt und in ein Heer von Kindern gezwungen worden war – Kinder, die als Sklaven verkauft worden waren, um die üblen Ziele ihres bösen Königs zu unterstützen. Rani hatte dieses Heer befreit und zur Niederlage des bösen Königs Sin Hazar beigetragen. Sie hatte auf ihrer Reise nach Amanthia viel über die dunkle Macht der Treue, der Ergebenheit und der Liebe gelernt.
    Rani legte das neue Buch auf den Tisch, rückte ihre Lampe sorgfältig näher und ignorierte das leichte Zittern ihrer Finger. Sie war sich zu sehr der Macht des Feuers bewusst. Bevor sie sich in die Seiten des eng geschriebenen Textes vertiefen konnte, wurde die Tür zu dem Turmraum aufgestoßen. »Mair!«, rief Rani aus. »Wo warst du?«
    Das Unberührbaren-Mädchen verzog das Gesicht. »Ich habe mich um die Kinder gekümmert. Sechs weitere Fälle von Feuerlunge. Alles Unberührbare.« Die Krankheit breitete sich aus und richtete den größten Schaden bei den Menschen Morens an, die am wenigsten besaßen. Rani erkannte an Mairs gerunzelter Stirn, wie sehr sich ihre Freundin sorgte. Mair lebte zwar inzwischen im Palast, aber ihr Herz war noch immer auf den Straßen, bei den Kindern, die sie aufgezogen hatte, bei der Schar, die sie angeführt hatte. Mair schob ihre Sorgen mit sichtlicher Mühe beiseite und fragte Rani: »Was hast du gemacht, dass du so überrascht wirkst, mich hier zu sehen?«
    »Ich las gerade Davins neueste Abhandlung über den Aufstieg zum Gesellen.«
    »Bücher.« Mair schnaubte, als sie die Bände auf dem hohen Tisch erblickte. Rani wusste, dass ihre Unberührbaren-Freundin lesen konnte. Mair hatte die Buchstaben zur gleichen Zeit gemeistert, als sie lernte, wie man auf den Straßen der Stadt überlebte. Lesen und Schreiben waren Werkzeuge, die einem. Unberührbaren-Mädchen dabei halfen weiterzukommen, so dass sie den Text königlicher Verkündigungen lesen konnte und
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