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Die Geschichte vom neidischen Dorle

Titel: Die Geschichte vom neidischen Dorle
Autoren: Hans Günter Krack
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alledem wußte Dorle nichts. Sie dachte daran, was die Lehrerin über die Krankheit Neid gesagt hatte. Ob Fräulein Fröhlich sie jetzt gar nicht sehen wollte?
    Uber Dorle ziepten und zwitscherten Vögel im dichten 

    Blattwerk der dicken Eiche. Die Tiere waren fröhlich, nur Dorle quälte sich noch immer mit traurigen Gedanken.
    Walter Liesegang hatte wohl etwas von dem Gespräch der Spielenden aufgefangen. Es fiel ihm aber nicht ein, Dorle davon zu erzählen. Wie kam er dazu? Wenn Dorle wieder von denen da drüben aufgenommen wurde, hatte er ja keine Spielgefährtin mehr!

Walter geht
    Fräulein Fröhlich winkte! Dorle hielt den Kopf gesenkt und sah es nicht. Walter stieß Dorle an und sagte: „Ich geh’ mir Eis kaufen. Komm mit!“ Er schaute angestrengt zur Seite, um nicht sehen zu müssen, wie die Lehrerin winkte.
    „Ich mag kein Eis“, sagte Dorle.
    „Ach, komm schon!“ beharrte Walter. Trotzig schüttelte Dorle den Kopf.
    „Dann gehe ich eben allein“, erklärte Walter. „Kannst denen ja zugucken, bis du schwarz bist. Die mit ihrem blöden Rumgehopse.“ Er wandte sich ab und lief auf einen Kiosk zu, an dem auf einem weißen Fähnchen rote Buchstaben verkündeten: EIS.
    Auf einmal rollte der bunte Ball aus dem Kreis. Traude mußte ihn nicht richtig aufgefangen haben. Es sah fast so aus, als wäre das mit Absicht geschehen. Die in allen Farben glänzende Kugel kam auf die Eiche zugekullert. Heino jagte hinterdrein. Er stolperte und fiel der Länge nach hin. Den Ball erwischte er dennoch. Heino lachte und winkte jetzt Dorle ebenfalls zu. Wollte er sagen, daß sie mitspielen sollte?
    Dorle fühlte, wie ihr Herz bis zum Halse hinauf hämmerte. Zögernd entfernte sie sich einige Schritte von der Eiche. Ganz langsam. Das Gras stachelte. Und heiß war ihr. Sollte sie hingehen? War es wirklich ehrlich gemeint von Heino?
    Schon hatte sie den halben Weg zwischen der Eiche und dem Kreis der Kinder zurückgelegt. Eben warf Rudi den Ball sehr ungeschickt. Monika, die in der Mitte stand, konnte ihn einfangen. Jauchzend wurde Rudi in die Mitte des Kreises getrieben. Er strahlte übers ganze Gesicht. Monika warf den Ball zu dem Strubbelkopf Helmut, der gerade erst in den Kreis getreten war. Wer weiß, wo er sich herumgetrieben hatte. Beneidete Dorle die Monika einmal um ihre Puppe? Es war doch sehr dumm gewesen! Im vergangenen Jahr hatte Monika eine ganz ärmliche Puppe gehabt. Komisch, daß Dorle das gerade jetzt einfiel. Eine winzige Puppe. Mit Holzwolle ausgestopft. Monikas großer Bruder hatte einmal mit dem Messer der Puppe in den Bauch gestochen, weil er sich über Monika geärgert hatte. Da war der Puppe die Holzwolle aus dem Bauch gequollen. Scheußlich hatte das ausgesehen!
    Jetzt war Dorle schon ganz nahe bei den Kindern. Sie sahen sich nach ihr um. Da schrie Helmut: „Neidhammel kommt!“ Alle Kinder blickten Dorle erwartungsvoll entgegen. Fräulein Fröhlich nickte freundlich. Heino drohte Helmut mit der Faust, als wollte er ihn verprügeln, weil er „Neidhammel“ gerufen hatte. Die Lehrerin schien auf etwas zu warten und lächelte. Doch dies sah Dorle kaum noch. Sie drehte sich um ; und 

    rannte wie gehetzt zu der Eiche zurück und verkroch sich hinter dem Stamm. Weiter trugen sie ihre Beine nicht mehr. Sie hockte sich auf die Wurzel, die hoch aus dem Erdboden hervorstand. Sie schlug die Arme um die Knie. Im Halse verspürte sie ein schreckliches Würgen.
    Vor ihren Augen verschleierte sich alles. Die Tränen ließen sich nicht mehr zurückhalten. Dorle legte den Kopf auf die Arme und schluchzte still vor sich hin. Es war einfach nicht zu ertragen! Mochten sie doch alle neue Sachen haben, alle, alle! Mochten sie! Aber sie sollten nicht mehr denken, daß sie neidisch sei.

Du brauchst nicht zu weinen
    Dicke Tränen rannen Dorle über die Arme. Sie kullerten an den nackten Beinen hinab und wollten gar nicht aufhören zu fließen. Plötzlich war es, als kämen viele, viele Schritte auf sie zu. Eine Hand berührte Dorles Arm.
    Zögernd hob Dorle das tränennasse Gesicht. Da standen die Kinder aus ihrer Klasse um sie herum und betrachteten sie mit ernsthaften Gesichtern. Traude hatte ihre Hand auf Dorles Knie gelegt. Sie kauerte neben ihr. „Wein doch nicht, Dorle“, bat sie leise.
    Helmut schrie: „Neidhammel flennt!“
    Aber Heino zischte ihn an: „Halt doch die Klappe, Menschenskind!“ Er trat ebenfalls auf Dorle zu und berührte mit seiner warmen Hand ihre Schulter.
    Alle waren zu ihr gekommen!
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