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Die Geschichte vom neidischen Dorle

Titel: Die Geschichte vom neidischen Dorle
Autoren: Hans Günter Krack
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machen ja alles kaputt, und durcheinander kommt auch alles.“ Dorle schwieg. Was Walter sagte, gefiel ihr nicht. Sie fand es schön, daß alle Jungen ihre Baukästen mitgebracht hatten. Wenn alle so dächten wie Walter, dann würde nie ein großer Kran entstehen.
    „Mach dir nichts draus“, fuhr Walter eifrig fort. „Wir werden ihnen beweisen, daß wir sie gar nicht brauchen.“ Ein bißchen war Dorle erleichtert. Walter hielt also zu ihr.
    Walter verteilte wieder die Karten, aber Dorle fand keine Freude mehr an dem albernen Schwarzen-Peter-Spiel. „Ich muß noch was einkaufen“, behauptete sie und verabschiedete sich. Als Dorle an diesem Abend in ihrem Bett lag, konnte sie lange nicht einschlafen. Sie sah die zornigen Gesichter der Jungen und Mädchen vor sich, als sie am Nachmittag das Kranführerhaus mit dem Fuß bis in Traudes Schoß geschleudert hatte. Wie würde man sie morgen in der Schule empfangen?

Schlimme Krankheit
    Es war am nächsten Tag. In der Schule hatte gerade die große Pause begonnen. Dorle wollte auf den Schulhof gehen, aber Fräulein Fröhlich hielt sie auf dem Flur zurück. „Komm mit

    dahinüber. Wir wollen uns ein wenig unterhalten“, sagte sie. Schweigend folgte ihr Dorle zu einer der Sesselecken, die auf dem Schulflur eingerichtet waren. Da draußen schönes Wetter herrschte, blieben die Sessel unbesetzt. Die Kinder tummelten sich lieber im Freien.
    „Setz dich“, forderte Fräulein Fröhlich ihre Schülerin auf. Dorle setzte sich auf den Rand des Sessels. „Sieh mal an, Dorle. Du hast eine schlimme Krankheit“, sagte die Lehrerin. „Eine . . .?“ Dorle riß entsetzt die Augen auf.
    „Ja, eine schlimme Krankheit“, wiederholte Fräulein Fröhlich und verschränkte die Hände über den Knien. Ihre blonden Haare glänzten im Sonnenlicht, das durchs Fenster fiel. „Diese Krankheit heißt Neid. Die Jungen und Mädchen aus deiner Klasse wollen nicht mehr mit dir spielen. Du weißt es ja. Sie wollen dich so lange meiden, bis du von der Krankheit geheilt bist . . .“
    „Aber, . .“
    Fräulein Fröhlich hob die Hand. „Das, was sich die Kinder vorgenommen haben, hast du selbst verschuldet. Du mußt diese Krankheit loswerden.“ Die Lehrerin beugte sich vor und sah Dorle eindringlich an.
    Dorle wich dem Blick aus. Sie hätte gern gefragt, was sie tun sollte, um diese Krankheit zu heilen. Der dumme Neid machte ihr ja so zu schaffen! Wie Leibweh war es, wie Zahnschmerz und Kopfschmerz — ach, Unsinn — wie all diese Schmerzen zusammen.
    Heute früh war Dorle in der Klasse mit „Pfui! Pfui!“ und lautem Zischen und Pfeifen empfangen worden. Fräulein Fröhlich war dazugekommen und hatte bei sich gedacht: Das geht zu weit! Und weil sie nicht wollte, daß die Feindschaft der Kinder gegen Dorle noch ärger würde, sprach sie jetzt mit der Schülerin. Auch mit Dorles Mutter wollte sie sich in den nächsten Tagen unterhalten.
    „Mach es doch so“, sprach Fräulein Fröhlich weiter. „Wenn ein Junge oder ein Mädchen etwas Neues bekommen hat, dann freust du dich einfach mit ihnen. Weißt du — ebenso, wie sie sich freuen würden, wenn du etwas Neues bekommen hättest.“
    „Ich kriege doch nichts Neues!“ wollte Dorle rufen. Aber das stimmte ja gar nicht. Sie hatte ja zu Weihnachten ein neues Kleid bekommen. Das war von Traude bewundert worden. Die Windjacke war ebenfalls fast neu, und die Pastellstifte auch, mit denen sie Traudes Kleid hatte beschmieren wollen. Und neue Schuhe wollte ihr Mutti auch bald kaufen. Hm, hm! Neue Sachen bekam sie also! Nun ja, hm, hm! Aber sie hätte eben immer gerne das gehabt, was sie bei anderen sah. Das erschien ihr stets viel schöner und besser. Hm — ja. Eigentlich war das wirklich dumm. Hätten dann nicht andere Kinder von ihren Eltern verlangen müssen, daß sie ihnen das kauften, was Dorle Klöhner bekam?
    Freundschaftlich legte die Lehrerin ihre Hand auf Dorles Arm. „Versuche es nur einmal. Es wird schon gehen, Dorle.“

Das Rollerrennen
    Oft ging Dorle zu Walter, um mit ihm zu spielen. Sie saßen dann in dem großen Wohnzimmer, und Walter holte seine Eisenbahn unter der Couch hervor. Die Schienen und Wagen und die schwarzglänzende Lokomotive lagen in einem großen Pappkarton. Es war eine schöne Eisenbahn. Mehrere Baukästen besaß Walter auch und eine ganze Kolonne verschieden großer Autos. Es ließ sich gut mit Walter spielen. Trotzdem sehnte sich Dorle danach, inmitten vieler Jungen und Mädel herumtoben zu können. Wie schön
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