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Die Geliebte des Piraten

Die Geliebte des Piraten

Titel: Die Geliebte des Piraten
Autoren: Amy J. Fetzer
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ihrem Zimmer zu hören. Willa runzelte besorgt die Stirn, während sie sich zur Tür wandte und nach der Klinke griff. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Tür unverschlossen war.
    Sie stieß sie auf und hielt den Atem an.
    Ein unbeschreibliches Durcheinander erwartete sie: die Schubladen waren durchwühlt, ihre Reisetaschen ausgeleert und zerfetzt worden, ihre Kleider lagen verstreut auf dem Teppich.
    »Manav? Rajani?«
    Zögernd und vorsichtig ging Willa auf den geschnitzten Paravent neben der Tür zu. Sie erstarrte, als sie dahinter schaute. Ihr Leibwächter lag reglos am Boden.
    »Manav!« Sie lief zu ihm und ließ sich auf die Knie. »O Manav!« Behutsam bettete sie seinen Kopf auf ihren Schoß und benutzte den Saum ihres Rockes, um ihm das Blut von der Schläfe zu tupfen. Er hatte eine tiefe Wunde, die von einem Haken oder etwas Ähnlichem herrühren musste. Willa rief Manav immer wieder beim Namen und tätschelte seine Wangen. Endlich bewegten sich seine Lider, und er schlug mühsam die Augen auf.
    »Memsahib!« Sein Blick flog durch den Raum, ehe er Willa wieder ansah. »Ich fürchtete, Ihr … wäret tot.« Er kämpfte um jedes Wort, und sein Atmen klang wie gurgelndes Keuchen.
    »Mir ist nichts geschehen, Manav. Nein, beweg dich nicht«, sagte sie, als er sich aufrichten wollte. »Wer war das? Wo steckte Rajani?« Willa schaute sich suchend um, dann rief sie laut um Hilfe.
    Vor der Tür hörte sie Schritte und schaute auf, als Mr Romhi eintrat. Gleich hinter ihm tauchte Rajani auf.
    »O Rajani, Gott sei Dank«, sagte Willa und hob abwehrend die Hand, als das Mädchen näher kommen wollte. »Nein, geh in dein Zimmer, bis es hier wieder sicher ist.« Es war besser, wenn das noch sehr kindliche Mädchen nicht zu sehen bekam, was geschehen war.
    Rajani gehorchte, während der Hotelbesitzer in die Halle zurückkehrte, um seine Diener zu beauftragen, die britischen Behörden zu informieren. Jedes Mal, wenn er einen Befehl erteilte, klatschte er in die Hände. Nachdem er in das Zimmer zurückgekehrt war, goss er Wasser in eine Schale und suchte in dem herrschenden Durcheinander nach einem geeigneten Tuch.
    Beim Anblick von Mr Romhi hob Manav seine zitternde Hand, legte sie um Willas Hinterkopf und zog sie näher. Trotz seiner Verletzung war sein Griff fest und entschlossen, doch seine Stimme klang schwach vor Verzweiflung. »Ihr … wart es … die sie gesucht haben, Memsahib.« Sein Atem streifte ihr Ohr. »Vertraut … niemandem!«
    Wie ein schützender Schild über ihn gebeugt, flüsterte sie: »Warum ich?«
    Ehe er antworten konnte, wurde seine Hand schlaff und glitt zu Boden. Willa richtete sich auf und starrte erschrocken in sein dunkles, von der Sonne gebräuntes Gesicht. »Manav! Tu mir das nicht an! Manav!«
    Der Hotelbesitzer kam zu ihr und kniete sich neben sie. In den Händen hielt er eine Schüssel und ein Tuch. Sie nahm es und säuberte damit Manavs Gesicht und Hals. Leise sagte sie dabei immer wieder seinen Namen.
    »Memsahib?«
    Sie schaute auf. Mr Romhi deutete auf Manav, und als Willa seinem Blick folgte, weiteten sich ihre Augen entsetzt. Unter Manavs Körper breitete sich langsam aber unaufhaltsam eine Blutlache auf dem Holzboden aus. Gott stehe ihm hei, dachte sie und tastete suchend nach seinem Puls. Als sie keinen fand, schlang sie die Arme um den schmächtigen Mann. Mit einem langen Atemzug strömte das Leben aus ihm heraus. Sie wiegte Manav sanft in ihren Armen und nahm ihm den Turban ab, um ihm über das tiefschwarze Haar zu streichen. Manav, du mein treuester und liebster Freund. Er verdiente es nicht zu sterben, und schon gar nicht auf diese schreckliche Weise.
    Mr Romhi streckte die Hand nach ihr aus. »Kommt weg von hier. Dies ist kein Ort für Euch.«
    Sie zuckte unter seiner Berührung zusammen, ehe sie ihn ansah. »Manav hatte keine Familie, keinen, der um ihn trauert. Ich bleibe hier bei ihm. Lasst uns allein … bitte.«
    Romhi nickte und erhob sich. Er schickte das Dienstpersonal hinaus und schloss die Tür hinter sich. Willa bemerkte nicht, dass er einen Wachposten vor ihrer Tür aufstellte.
    Von der Straße klang der Widerhall marschierender Soldaten zu ihr hinauf, als Willa ihrem Schmerz mit heißen Tränen und lautlosem Schluchzen freien Lauf ließ. Manav hatte an Puner Janam geglaubt, daran, dass der Tod seiner Seele den Neubeginn eines anderen Lebens brachte, und sie betete, dass er, sollte er wiedergeboren sein, an einem friedlicheren Ort als diesem Schauplatz des
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