Die Geliebte des Piraten
noch einmal zu erwägen, mit uns zu kommen. Oder vielleicht sogar nach Hause zurückzukehren?«
Willa entzog ihm ihre Hand. Sie würde nicht in das große, leere Haus zurückkehren, das die Krone ihr in Bengal zur Verfügung gestellt hatte. Nicht ohne ihren Sohn. »Ich brauche ein wenig Ruhe, wenigstens einen Tag lang«, erwiderte sie in gleichmütigem Tonfall. »Ich werde hier bleiben.«
Dass keiner der beiden Männer widersprach, bestärkte Willa in ihrer Vermutung.
»Der Captain wird Wachen vor Euren Zimmern aufstellen und eine Eskorte für Euch bereithalten. Wir können nur hoffen, dass Euch nicht das gleiche Schicksal ereilen wird wie Euren Diener.«
Ein Frösteln lief Willa den Rücken herunter, als sie sich fragte, ob diese Worte als Drohung gemeint gewesen waren. »Ich akzeptiere die Wachen während der Nacht, Captain. Und ich wünsche über alles informiert zu werden, was Eure Nachforschungen nach Manavs Mörder ergeben werden.«
»Es geht hier um einen simplen Einbruch«, erklärte Barkmon.
Sein Mangel an Betroffenheit ärgerte Willa. Mit großen Schritten ging sie zu dem kleinen Koffer, den sie unter den Frisiertisch geschoben hatte, und kniete sich vor ihn. Sie schlug den Deckel zurück, öffnete den doppelten Boden und nahm einen Samtbeutel heraus, dessen Inhalt sie in ihre Hand leerte. »Das hier ist wohl kaum simpel zu nennen.«
Juwelen funkelten in ihrer Hand, Halsketten, Ohrringe und Armbänder aus Brillanten, Saphiren und blutroten Rubinen. Es machte Willa krank, wenn sie sich daran erinnerte, dass Alistar ihr den Schmuck immer dann gegeben hatte, nachdem er in ihrem Bett gewesen war. Als hätte er dafür bezahlen müssen, mit ihr zu schlafen. Wie mit einer Hure. Sie hatte es getan, weil es ihre Pflicht gewesen war, und aus Einsamkeit und dem überwältigenden Wunsch nach einem Kind. Es war eine Schande, dass Alistar sein Kind nicht ebenso sehr liebte wie diesen Zierrat, mit dem er sie so großzügig bedacht hatte. Sie stopfte den Schmuck in den Beutel zurück und ließ ihn in eine Schublade des Frisiertisches fallen.
Sie sah nicht, dass Atcheson und Barkmon einen Blick wechselten.
Vertraut niemandem. Außer ihrem Vater war Manav der einzige Mensch gewesen, dem sie in den vergangenen Monaten vertraut hatte. Und ohne den Hindu fühlte sie sich jetzt allein und gejagt.
Konnte wirklich Alistar dahinter stecken? Nein, dachte sie, Alistar hätte jemanden geschickt, der ihren Leibwächter durch Schläge dazu gebracht hätte, zu enthüllen, was sie wusste, und ihren Aufenthaltsort zu verraten, denn ihr Mann verabscheute es, seine Kleidung zu beschmutzen, ganz zu schweigen davon, seine Hände mit dem Blut eines anderen Menschen zu beflecken. Plötzlich war sie froh darüber, Raiden begegnet zu sein, denn sonst hätte Manavs Mörder sie ohne jeden Zweifel entführt oder angegriffen. Dass Manav nichts von ihrer Anwesenheit verraten hatte, davon war Willa zutiefst überzeugt. Doch sein gewaltsamer Tod ließ darauf schließen, dass Alistar entweder in der Nähe und über jeden ihrer Schritte informiert war, oder dass er zumindest den Befehl für diese Tat gegeben hatte. Sollte er jedoch nichts damit zu tun haben, dann würde sie ein weiteres Fadengewirr entwirren müssen.
Willa schob die Lade des Frisiertisches zu und musterte Barkmon verstohlen. Klein von Wuchs und um die Leibesmitte gut gerundet, hatte er das Aussehen eines wohl genährten Provinzstatthalters, der keine Notiz von den Menschen nahm, deren Leben er beeinflusste. Sie hatte sich bereits seit einer Woche in der Stadt aufgehalten, als er ihr einen Besuch abgestattet und sie mit sanftem Vorwurf dafür getadelt hatte, ihm nicht ihre Aufwartung gemacht zu haben. Sie, als Frau eines Peers. Ha! Der Mann suchte nach einem Weg, Vorteile aus ihrer Bekanntschaft zu schlagen, und da Alistar von der Krone ausgeschickt worden war, die Schiffe, die Besitzungen und die Geschäfte der East India Company zu überprüfen, würde Barkmon Willa – wenn er es für erforderlich hielt – als gemästete, gebratene Taube auf einem Tablett servieren.
Sie konnte nicht enthüllen, warum sie hier war, und sie vermutete, dass diese Männer nur wenig darüber wussten – wenn überhaupt. Alistar hatte seine privaten Angelegenheiten keiner Menschenseele anvertraut, andererseits wollte er über jeden Schritt Willas informiert sein. Er war ihr Ehemann. Es war sein Recht. Er musste nah genug sein, um eine Nachricht entweder zu erhalten oder eine zu senden. Ob Mason
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