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Die Geliebte des Kosaken

Die Geliebte des Kosaken

Titel: Die Geliebte des Kosaken
Autoren: Megan McFadden
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einmal spürte sie die sieghafte Wirkung seiner Augen, erzitterte, als seine Lippen für einen winzigen Augenblick ihren Handrücken berührten – dann sah sie ihm nach, wie er den Raum durchquerte, einigen Bekannten kurze Abschiedssätze zuwarf und durch die weißen Flügeltüren wieder verschwand. Oleg Petrow, der Nonpareil blieb niemals länger als eine knappe Stunde auf einer Abendgesellschaft. Allein die Tatsache, dass er eine Veranstaltung überhaupt mit seiner Gegenwart auszeichnete, bedeutete schon unendlich viel und zog den Neid der übrigen Petersburger Adelsfamilien nach sich.
    Natalja war den Rest des Abends ungewöhnlich ausgelassen gewesen, sie plauderte und tanzte, schenkte jedem ihrer Verehrer die herzlichste Aufmerksamkeit, lachte oft und laut und brach nicht wenige Männerherzen. Ein nie gekanntes Glücksgefühl durchströmte sie, und erst als sie spät in der Nacht in ihrem Bett lag, überkam sie die Furcht, sie könne ihm niemals wieder begegnen.
    Ihre Sorge war unbegründet. Schon am folgenden Abend traf sie ihn in der Oper, später erschien er regelmäßig im Haus der Großmutter, Kutschfahrten und Spaziergänge folgten – ach und dann jener wundervolle, ungeduldig erwartete Augenblick, da er ihr im herbstlichen Garten seine Liebe erklärte und um ihre Hand anhielt …
    Das scharrende Geräusch an der Tür riss sie aus den schönen Erinnerungen. Marfa schob einen der Türflügel auf, sie schnaufte hörbar, und ihr breites Gesicht war gerötet.
    „Da haben wir’s“, stöhnte sie, „ich habe es ja geahnt, dass es so kommen würde. Herr im Himmel, und ich habe die Vorhänge im Salon abgenommen, weil die Fenster einen neuen Anstrich brauchten …“
    Natalja runzelte die Stirn, denn sie begriff nicht recht, warum dies solch ein Unglück sein sollte.
    „Es ist Besuch gekommen, Herrin“, flüsterte Marfa. „Fürst Berjow wartet im Salon und bittet, seine Aufwartung machen zu dürfen.“
    „Ich komme …“
    Fürst Ossip Arkadjewitsch Berjow war ein guter Bekannter ihrer Großmutter, ein weißhaariger, stets vollendet gekleideter Höfling, der für Natalja immer so etwas wie ein freundlicher Onkel gewesen war. Während Natalja hinüber in den Salon ging, überlegte sie, woher Berjow wohl wusste, dass sie in St. Petersburg war. Hatte die besorgte Großmutter ihm etwa eine Nachricht zukommen lassen? Nun, wie auch immer, es traf sich gut, dass er sie besuchte. Fürst Berjow hatte weitreichende Beziehungen und konnte ihr nützlich sein.
    Er hatte sich auf einem der Sesselchen niedergelassen und erhob sich höflich bei ihrem Eintreten. Natalja fiel auf, dass er sehr schlicht und schmucklos gekleidet war, ganz anders, als sie es von ihm gewohnt war.
    „Man hat mir gesagt, dass Sie in St. Petersburg seien, Natalja“, sagte er statt einer Begrüßung. „Ich bin gekommen, weil ich dringend mit Ihnen sprechen muss.“
    Sie war irritiert. Der Ton, den er anschlug, seine Hast, das Fehlen jeglicher Förmlichkeit – das alles kam ihr fremd vor. Das war nicht mehr der nette, ältere Herr, der auf den Gesellschaften ihrer Großmutter heitere Geschichtchen aus früheren Zeiten erzählte und der jungen Natalja Komplimente machte. Seine hellblauen Augen sahen sie so kühl an, dass ihr fast ängstlich zumute war.
    „Mit mir sprechen? Aber worüber?“
    Er lächelte, und ein kleiner Rest seines früheren jovialen Wesens kehrte in seine Züge zurück.
    „Setzen Sie sich zu mir, Natalja Iwanowna, ich werde es Ihnen erklären. Sehen Sie, ich kenne Sie seit Ihrer Kindheit und bin Ihrer Großmutter Elisaweta Antonowna in Freundschaft verbunden. Deshalb bin ich bemüht, sowohl Sie als auch Ihre Familie vor Schaden zu bewahren, soweit es in meiner Macht steht.“
    Nataljas Herz klopfte heftig, denn sie spürte, dass etwas Schlimmes, ja Schreckliches über sie hereinbrechen würde. Angstvoll ließ sie sich auf einem Sessel nieder, ohne Berjow dabei aus den Augen zu lassen. Sein Gesicht hatte wieder jenen harten Ausdruck angenommen, der ihr so fremd erschienen war, und sie begriff plötzlich, dass die behütete Welt, in der sie bisher gelebt hatte, die Welt der heiteren Salons und glänzenden Bälle, nur ein kleiner Teil der Wirklichkeit war. 
    „Bitte reden Sie, Ossip Arkadjewitsch …“
    „Zuerst muss ich Ihnen einige Fragen stellen, Natalja. Man hat Ihre Kutsche heute Nachmittag vor dem Haus von Andrej Semjonitsch Dorogin gesehen. Was wollten Sie dort?“
    Woher wusste er das jetzt wieder? Ließ man sie etwa
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