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Die Gejagte

Die Gejagte

Titel: Die Gejagte
Autoren: Lisa J. Smith
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langsam, »ich sollte besser …«
    »Wir haben tatsächlich so etwas auf Lager«, fiel er ihr ins Wort.
    Das ist die Chance, sagte sie sich, als er durch eine Tür ins Hinterzimmer verschwand. Jetzt kannst du einfach gehen. Und sie würde auch gehen. Sie wollte gerade gehen, als er wieder auftauchte.
    »Ich denke«, sagte er, »das ist es, wonach du gesucht hast.«
    Sie warf einen Blick auf das, was er in der Hand hielt, dann sah sie ihm ins Gesicht.
    »Du machst wohl Witze«, erwiderte sie.
    Die Schachtel hatte ungefähr die Größe und Form eines Monopolyspiels. Sie war weiß und glänzend, ohne ein einziges Wort, einen Strich oder ein Bild darauf.
    Eine blanke weiße Schachtel.
    Jenny wartete auf die Pointe.
    Und doch hatte die Verpackung etwas. Je länger Jenny sie betrachtete, umso mehr verspürte sie …

    »Kann ich das mal haben?«, fragte sie. Anfassen war das, was sie meinte. Aus irgendeinem Grund wollte sie die Schachtel in ihren Händen halten, die spitzen Ecken mit ihren Fingern berühren. Es war dumm, aber sie wollte es. Sie wollte es wirklich.
    Der Junge lehnte sich zurück, drehte die Schachtel in den Händen und starrte auf die glänzende Oberfläche. Jenny bemerkte, dass darauf kein einziger Fingerabdruck zu sehen war, nicht einmal der winzigste Fleck. Sie bemerkte auch, wie lang und schlank die Finger des Jungen waren. Und dass er auf dem rechten Handgelenk eine Schlangentätowierung hatte.
    »Nun …«, sagte er. »Ich weiß nicht. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich es dir überhaupt verkaufen kann.«
    »Warum nicht?«
    »Weil dieses Spiel wirklich etwas ganz Besonderes ist. Überirdisch. Ich kann es nicht einfach irgendjemandem geben, einfach so ohne Grund. Wenn du mir erklären würdest, wozu es gedacht ist …«
    Na, der hat’s ja voll drauf, dachte Jenny, und eine seltsame Heiterkeit stieg in ihr auf. Ohne dass die Angst oder die Unruhe oder irgendeine andere Empfindung, die sie seit ihres Eintritts in den Laden verspürte, von ihr gewichen wäre. Wilde, unerklärliche Heiterkeit.
    Wenn ich so umwerfend aussähe wie der, würde ich’s vielleicht auch so machen, dachte sie. Dann sagte sie ernst: »Das Spiel ist für eine Party heute Abend, für meinen Freund Tom. Zu seinem siebzehnten Geburtstag.
Morgen Abend steigt die große Party – also, für alle. Aber heute ist nur unsere Clique da.«
    Er legte den Kopf leicht schräg. Sein Ohrring – ein Dolch oder eine Schlange, das konnte Jenny nicht genau erkennen – blitzte im Licht auf. »Also?«
    »Also brauche ich etwas zu unserer Unterhaltung. Man kann schließlich nicht einfach sieben Leute in einen Raum setzen, ihnen Doritos zuwerfen und erwarten, dass sie Spaß haben. Ich hab die Sache vermasselt, weil ich bis jetzt noch gar nichts organisiert habe – kein richtiges Essen, keine Deko. Und Tom …«
    Der Junge drehte die Schachtel erneut hin und her. Jenny beobachtete, wie ihre Oberfläche milchig wurde, dann glänzend, dann wieder milchig. Es war geradezu hypnotisierend. »Und Tom wird es was ausmachen?«, fragte er, als glaube er es nicht.
    Jenny hatte das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. »Ich weiß nicht – er könnte enttäuscht sein. Er verdient ganz einfach was Besseres, verstehst du«, fügte sie hastig hinzu. »Er ist …« Oh, wie beschrieb man Tom Locke? »Er ist … hm, er ist unglaublich attraktiv und am Ende dieses Jahres wird er in drei Sportarten ausgezeichnet werden …«
    »Ich kapier schon.«
    »Nein, tust du nicht«, rief Jenny entsetzt. »Er ist überhaupt nicht so. Tom ist wunderbar. Er ist einfach … so wunderbar, dass es manchmal schwer ist, mit ihm Schritt zu halten. Aber wir sind schon ewig zusammen. Ich liebe ihn schon seit der zweiten Klasse. Okay?« Ihr Ärger verlieh
ihr den nötigen Mut, um einen Schritt auf den Jungen zuzumachen. »Er ist der absolut beste Freund der Welt, und jeder, der etwas anderes behauptet …« Sie brach ab. Der Junge hielt ihr die Schachtel hin. Jenny zögerte verwirrt.
    »Du darfst sie in die Hand nehmen, wenn du willst«, sagte er sanft.
    »Okay«, antwortete Jenny verlegen, und ihre heftige Reaktion verebbte. Sie nahm ihm die glänzende Schachtel vorsichtig mit beiden Händen ab – und vergaß alles andere. Die Schachtel fühlte sich kühl an und war gerade schwer genug, um ihre Neugier zu wecken. Etwas darin klapperte leicht, etwas Rätselhaftes. Die Schachtel hatte etwas an sich, das Jenny nicht beschreiben konnte, wie eine Art elektrischer Spannung,
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