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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente
Autoren: Hanns Kneifel
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Version sowie der des Guibert von Nogent schließen, dass der Papst keine klare Vorstellung von der Religion des Feindes hatte. Es war offensichtlich, dass man gegen Nichtchristen kämpfte, dem verleiht Urban II. Ausdruck, aber einen übereinstimmenden Hinweis auf den Islam gibt es in all den genannten Quellen nicht. Der Papst hat also mit großer Wahrscheinlichkeit nichts Genaues über die Religion der Eroberer gewusst. Und noch viel weniger wussten die Fürsten, Ritter und nicht zuletzt Fußsoldaten, die sich alsbald auf den langen und beschwerlichen Marsch ins Heilige Land machten.
    Zum ersten Mal hörten die Kreuzfahrer den Namen Mohammed vermutlich während der Kämpfe um Antiochia. Als am 11. Juni 1098 die inzwischen in Antiochia eingedrungenen Kreuzfahrer von den Muslimen angegriffen wurden, hörte Anselm von Ribemont ihren Schlachtruf: »[…] mit lauten Stimmen riefen sie Baphometh an […]«, schrieb er über dieses Erlebnis an Bischof Manasses von Reims [Dendl, 1999, S. 156]. Diese Form des Namens Mohammed wurde in der provencalischen Sprache gebraucht und sollte noch über 200 Jahre später im Prozess gegen die Templer eine Rolle spielen.
    Dass die Christen am Ende des 11. Jahrhunderts den Muslimen magische Praktiken zuschrieben, zeigt eine Episode aus der Zeit der Belagerung von Jerusalem im Jahr 1099. Wilhelm von Tyros und Raimund von Aguilers berichten, man habe zwei Frauen auf die südliche Stadtmauer gegenüber der großen Schleudermaschine der Provencalen gebracht, die mit Hilfe von Beschwörungen versuchten, die Maschine zu zerstören. Doch ein gezielter Schuss der Maschine habe dem Spuk ein Ende bereitet [Wilhelm v. Tyros Lib. VIII, cap. XV; Raimund v. Aguilers, cap. XX].
    In der frühen Kreuzzugszeit gab es auch im Heiligen Land keine Auseinandersetzung mit der Lehre des Islam. Die im Königreich Jerusalem verbliebenen Muslime lebten unter der Herrschaft der Christen, die zum Teil sogar die islamischen Verwaltungseinheiten beibehielten. Zu einer planvollen Missionierung der Muslime kam es nicht.

Ein neuer Zugang
    Um die Mitte des 12. Jahrhunderts begann man sich in Westeuropa intensiver mit dem Koran auseinander zu setzen. Die bis dahin verfolgte Strategie, den Islam als rein militärische Macht in seine Schranken zu verweisen, hatte sich unter den gegebenen militärischen und politischen Kräfteverhältnissen als wirkungslos erwiesen. Folglich setzte ein Umdenken ein, durch das die Widerlegung der religiösen Lehre des Islam und die Bekehrung der Muslime zum Christentum an Bedeutung gewannen. Ein prominenter Vertreter dieser Strategie war Petrus Venerabilis (um 1192-1156), der neunte Abt von Cluny. Auf einer Reise durch Spanien im Jahr 1141 beauftragte er den Engländer Robert von Ketton damit, den Koran ins Lateinische zu übertragen. Es handelt sich dabei nicht um eine Übersetzung im eigentlichen Sinn, sondern um eine sinngemäße Wiedergabe des Inhalts des Korans. Trotz dieses grundlegenden Makels bildete das Werk von Robert von Ketton für Jahrhunderte die Grundlage für die Beschäftigung mit dem Koran im Westen. Im Jahr 1543 druckte T. Bibliander das Buch, das auch als Ausgangstext für die 1547 veröffentlichte erste italienische Übersetzung des Korans durch Andrea Arrivabene diente. Diese italienische Fassung wiederum wurde zur Vorlage der unter dem Titel »Alcoranus Mahometicus« 1616 gedruckten ersten deutschen Übersetzung von Salomon Schweigger.
    Mit der Übersetzung durch Robert von Ketton konnten sich die europäischen Gelehrten erstmals mit dem Inhalt des Korans auseinandersetzen. Die Absicht, die Petrus Venerabilis verfolgte, als er die Übersetzung in Auftrag gab, war eindeutig: Er brauchte sie als Grundlage zur Widerlegung der im Koran enthaltenen Lehren. Und so schrieb er: »Ich greife euch nicht mit Waffen an, wie viele von uns oft tun, sondern mit Worten, nicht mit Gewalt, sondern mit Vernunft, nicht mit Hass, sondern mit Liebe. […]«
    Petrus Venerabilis war nicht der Einzige, der sich an einer Widerlegung des Korans versuchte. Unter dem Namen des Dominikaners Wilhelm von Tripolis, der am Ende des 13. Jahrhunderts im Konvent von Akkon lebte, sind zwei Schriften überliefert, die sich mit der Lehre des Islam befassen. Es sind die »Notitia de Machometo« und »De statu sarracenorum«. Nur wenig ist über das Leben des Verfassers bekannt. Wahrscheinlich stammte er aus Tripolis in Syrien, unbekannt sind das Jahr seiner Geburt und seines Eintritts in den Dominikanerorden.
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