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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente
Autoren: Hanns Kneifel
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christlichen Glaubens anbelangte, es hatte sich jedoch nichts Wesentliches geändert. Noch Jahrzehnte später war die Auseinandersetzung mit den Juden und Häretikern bestimmender für das Denken als das Eindringen der Muslime in die christlichen Lebensbereiche.
    Die Araber hatten noch während der Lebenszeit des großen Gelehrten Beda Venerabilis die größte westliche Expansion erreicht. Und trotz ihres enormen Erfolgs, den er miterlebte, scheinen die Araber und ihre Religion keinen besonderen Eindruck auf den großen Gelehrten gemacht zu haben. Nur beiläufig erwähnt er die Sarazenen in seiner »Historia«. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass er sie nach der Schlacht von Poitiers für endgültig besiegt hielt. In seinen Bibelkommentaren setzt er sich dagegen stärker mit ihnen auseinander, hier allerdings mehr aus Interesse an ihrer Herkunft. Seiner Ansicht nach stammten die Araber von Hagar, der ägyptischen Magd Abrahams, ab. Mit dieser Sicht der Dinge folgt er Eusebius, der sich wiederum auf Flavius Josephus stützte. Aber erst mit Beda setzt sich diese Erklärung der Abkunft der Sarazenen durch. Durch diese Auffassung wurde für viele Menschen den Arabern ihr Platz in der Welt zugewiesen.
    Doch im 9. Jahrhundert änderte sich die Lage. Die Eroberer hatten sich dauerhaft im Land niedergelassen, und durch Einwanderung nahm ihre Zahl enorm schnell zu. Große muslimische Zentren entstanden. In dieser Zeit war es für viele Christen attraktiv, sich zum Islam zu bekennen, da die volle Einbindung in die im Entstehen begriffene neue Gesellschaft nur Muslimen offen stand.
    Doch auch Widerstand keimte nun auf. In den Jahren um 850 wurden in Cordoba Christen hingerichtet, die öffentlich die Lehren Mohammeds angegriffen hatten. Diese sogenannten Märtyrer von Cordoba rüttelten viele Christen auf, die sich bereits mit dem Leben unter der muslimischen Herrschaft abgefunden hatten. Aus den Reihen derer, die sich schnell der neuen Lage angepasst hatten, wurde der Vorwurf laut, bei den Märtyrern handele es sich um Fanatiker, die ihre Hinrichtung selbst heraufbeschworen hätten. Nun erhoben der Priester Eulogius und sein Freund, der Laie Paulus Alvarus, ihre Stimmen zur Verteidigung der Märtyrer. Beide zeichneten in ihren Schriften ein betont negatives Bild des Islam. Sie wollten nicht nur das Verhalten der Märtyrer rechtfertigen, sondern auch die Christen, die sich in die islamisch-arabische Gesellschaft integriert hatten, unter Rechtfertigungsdruck setzen. Eulogius griff zurück auf bewährte Polemik. Er stellte die Muslime in der gleichen Weise dar wie die heidnischen Christenverfolger der römischen Kaiserzeit, und Mohammed bezeichnete er als einen falschen Propheten, der die Göttlichkeit Christi leugne und dem deshalb dasselbe gebühre wie dem von den Kirchenvätern verdammten Arius.
    Paulus Alvarus beschritt in seiner im Jahr 854 verfassten Schrift »Indiculus luminosus« einen neuen Weg. Zum ersten Mal identifizierte er Mohammed als den Antichristen. Dazu legte er eine völlige Neuinterpretation der einschlägigen Bibelstellen vor. Gedacht war das Pamphlet ursprünglich als Verteidigungsschrift für die Märtyrer von Cordoba. Im ersten Teil der Schrift unterstrich er die Pflicht der Christen, religiösen Irrtümern mit der Wahrheit des Evangeliums zu begegnen, und er bezichtigte alle Zaudernden der Kollaboration. Die Märtyrer von Cordoba stellte er dabei in eine Reihe mit den Christen, die im heidnischen Rom getötet worden waren. Im zweiten Teil seiner Schrift lieferte Paulus Alvarus seine Neuinterpretation der Bibel. Zunächst zog er die Kapitel 7 und 11 aus dem Buch Daniel heran, Textstellen, die sich nach dem hl. Hieronymus auf den Antichristen beziehen. Diese Passagen ergänzt er noch durch die Beschreibungen von Behemoth und Leviathan im Buch Hiob und deren Deutung durch den hl. Gregor. Nachdem Alvarus aus dem Buch Daniel die Prophezeiung von dem Tier mit den zehn Hörnern zitiert hat, geht er dazu über, diese Prophezeiung mit dem zu verbinden, was er über den Islam weiß. Unter den zehn Hörnern stieg im Traumgesicht des Propheten Daniel ein weiteres Horn auf, »und drei von den ersten Hörnern wurden vor ihm ausgerissen«. Dabei sagt schon der Prophet Daniel, aus einem großen Reich würden sich zunächst »zehn Könige erheben. Und ein anderer wird sich nach ihnen erheben, und dieser wird verschieden sein von den vorigen, und er wird drei Könige erniedrigen« [Dan 7, 8.24]. Für Paulus Alvarus
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