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Die Geheimnisse der Therapeuten

Die Geheimnisse der Therapeuten

Titel: Die Geheimnisse der Therapeuten
Autoren: Christophe André
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Depressionen. Seine familiären Beziehungen waren normal. Er besaß viele Freunde, einige schon seit sehr langer Zeit. Antoine hatte mehrere Liebesbeziehungen hinter sich, aber ohne die Partnerin zu finden, auf die er sich festlegen wollte. Zur Zeit des Unfalls lebte er allein. Nach seiner Krankschreibung zog er auch aufgrund von Umbauten in seiner Wohnung wieder bei seinen Eltern ein. Antoine war ein sympathischer Mensch, eigenwillig, selbstsicher und mit festen Ansichten.
    Unser erster Kontakt war gut. Antoine war einverstanden, sich auf die Therapie einzulassen, weil sie ihm verschrieben worden war. Aber er machte keinen Hehl aus seinen Zweifeln, inwieweit eine kognitive Verhaltenstherapie ihm für ein in erster Linie körperliches Problem besonders nützlich sein könnte. Es schien ihm nicht zu passen, dass man keine klare medizinische Diagnose gefunden hatte. Die Muskelrelaxantien und Schmerzmittel brachten ihm nur vorübergehende Erleichterung, und die Krankengymnastik schien keine nennenswerte Wirkung zu haben. Er versprach sich sehr viel von den Botox-Injektionen.
    Das Botox senkte zwar leicht den Druckschmerz in Antoines Nacken und Schulter, aber erlaubte ihm nicht, wieder eine normale Körperhaltung einzunehmen. Die entspannende Wirkung ließ nach einigen Wochen nach, und dann musste Antoine warten, bis der erforderliche Zeitraum zwischen zwei Injektionsserien verstrichen war. Die Neurologen, bei denen er in Behandlung war, blieben ratlos, und Antoine beschloss, die Meinung anderer Ärzte einholen.
    Das Abgleiten in die Depressionsspirale
    Antoine hoffte darauf, dass irgendein Arzt die Ursache seines Leidens herausfinden und ihm eine Behandlung verschreiben würde, die ihn gesund machte. Die Ungewissheit war schwer zu ertragen, sowohl was die Ursachen seiner Erkrankung als auch was ihre medizinische Prognose anging. Die Schmerzen und die Spasmen waren derartig stark, dass er ganze Tage im Liegen verbrachte, konzentriert auf die Schmerzen und den Versuch, sich von ihnen abzulenken. Wenn er schließlich aufstand, dann nur, um sich an seinen Computer zu setzen und im Netz Spiele zu spielen. Für ihn war das ein wirksames Mittel, um sich seiner schmerzhaften Realität zu entziehen. Er, der nie depressiv gewesen war, verfiel in dumpfe Grübeleien.
    Rückzug
    Wie soll ich meiner Umgebung mein unerklärliches Leiden erklären? Was werden die anderen von mir denken? Wie lange werden meine Familie und meine Freunde diesen eingeschränkten Antoine unterstützen? Wie lange kann ich krankgeschrieben bleiben? Die anderen werden anfangen, mich für seltsam zu halten. Ich werde nie mehr eine Frau kennenlernen. Wie soll ich es ertragen, meine Schwäche zu zeigen? Was soll aus mir werden?

    Nach und nach sah ich mit an, wie Antoine sich zurückzog und seine Zuversicht deutlich litt. Seine Laune verschlechterte sich. Ich spürte, wie seine Irritation sich allmählich in Wut verwandelte. Die Gefahr der Abhängigkeit von Schmerzmitteln und Muskelrelaxantien beunruhigte ihn. Um mit seinen Freunden ausgehen zu können, erhöhte er manchmal die Medikamentendosis und trank. Sport war ihm verboten. Vielen Tätigkeiten wich er aus, weil er sie am nächsten Tag oft mit intensiven Schmerzen bezahlte. Draußen auf der Straße machte es ihm zu schaffen, was die Menschen, die an ihm vorübergingen, wohl von seiner Körperhaltung dachten. Wenn er jemandem auf der Straße begegnete, unternahm er schmerzhafte Anstrengungen, sich aufzurichten und normal zu erscheinen. Frauen anzusprechen wagte er nicht mehr. Für seinen Arbeitgeber stand allem Anschein nach mehr der Verdienstausfall im Vordergrund als die Frage, ob Antoine wieder gesund würde, und ihre Beziehung wurde allmählich schlechter.
    Langsam schlich sich in seinem Kopf der Gedanke ein, dass er erledigt war, dass er sich nie mehr wieder auf etwas freuen könnte. Er, der sein Leben immer voll unter Kontrolle gehabt hatte, war plötzlich den Unwägbarkeiten der Medizin, seiner Behinderung und der sozialen Unterstützung ausgeliefert. Diese Position fiel ihm besonders schwer. Er hatte immer geglaubt, man müsse im Leben stark sein, und es sei das sichere Aus für einen Menschen, die eigene Schwäche zu zeigen oder zuzugeben. Antoine spürte, wie sein Leben ihm entglitt, und geriet in eine bittere depressive Abwärtsspirale.
    Erster Ansatz: die klassische kognitive Verhaltenstherapie
    Anfangs
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